Effizienter Blitzschutz: Empfehlungen zur Einstufung in eine Schutzklasse des Blitzschutzsystems

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Nicht immer ist ein Blitzschutzsystem erforderlich.
Nicht immer ist ein Blitzschutzsystem erforderlich. (Bildquelle: JCPJR/iStock/Getty Images)

Blitzschutzsysteme sind essenziell, um Personen, Gebäude und Technik vor den zerstörerischen Kräften eines Blitzschlags zu schützen. Doch wann ist ein Blitzschutz wirklich notwendig und welche Schutzklasse ist die richtige? Eine aktuelle Publikation des VDE gibt wertvolle Empfehlungen zur Einstufung in die passende Schutzklasse und zeigt auf, wie eine Risikoanalyse helfen kann, die richtige Entscheidung zu treffen.

Blitzschutzsysteme schützen Personen, Gebäude und Technik vor den schädlichen Auswirkungen von Blitzen. Eine in diesem Zusammenhang aufschlussreiche Publikation des VDE (Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik) enthält Empfehlungen für bauliche Anlagen und technische Einrichtungen zur typischen Einstufung in eine Schutzklasse des Blitzschutzsystems. Ihr etwas sperriger Titel lautet: DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3) Beiblatt 6:2022-06 „Blitzschutz − Teil 3: Schutz von baulichen Anlagen und Personen; Beiblatt 6: Zusätzliche Informationen über das Erfordernis von Blitzschutzmaßnahmen nach DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3)“.

Hinweis

Ein typisches Anwendungsbeispiel für das Beiblatt ist die Ermittlung der Schutzklasse eines Blitzschutzsystems bei einer baulichen Anlage, bei der gesetzlich oder anderweitig eine Vorgabe zur Errichtung eines Blitzschutzsystems besteht.

Kriterien zur Feststellung eines Erfordernisses von Blitzschutzmaßnahmen

Zur sachgerechten Beantwortung der Frage, ob ein Blitzschutz erforderlich ist, müssen die nachstehend skizzierten drei grundlegenden Fälle unterschieden werden:

1. Blitzschutz ist aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Vorgaben gefordert und es ist eine konkrete Schutzklasse/sind konkrete Schutzmaßnahmen definiert.

Für bauliche Anlagen kann

  • in einem Gesetz,
  • in einer Verordnung (beispielsweise Versammlungsstätten-Verordnung [VStättV]),
  • in einer Richtlinie (beispielsweise einer Technischen Regel für Betriebssicherheit [TRBS]) oder
  • in einer Baugenehmigung

ein Blitzschutz gefordert werden. Ist in einem Gesetz, einer Verordnung, einer Richtlinie oder einer Baugenehmigung eine konkrete Schutzklasse für ein Blitzschutzsystem genannt oder werden konkrete Schutzmaßnahmen aufgeführt, müssen diese realisiert werden. In diesem Fall muss eine Risikoanalyse auf der Grundlage der Norm DIN EN 62305-2 (VDE 0185-305-2) „Blitzschutz – Teil 2: Risiko-Management“ durchgeführt werden.

2. Blitzschutz ist aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Vorgaben gefordert und es ist keine konkrete Schutzklasse/sind keine konkreten Schutzmaßnahmen definiert.

Verlangt ein Gesetz, eine Verordnung, eine Richtlinie oder eine Baugenehmigung einen Blitzschutz, ohne eine konkrete Schutzklasse für ein Blitzschutzsystem oder konkrete Schutzmaßnahmen zu benennen, so kann es empfehlenswert sein, eine (freiwillige) Risikoanalyse vorzunehmen. Kommt dabei heraus, dass kein Blitzschutz erforderlich ist, wird – aufgrund der öffentlich-rechtlichen Forderung nach einem Blitzschutz – ein Blitzschutzsystem (mindestens) der Schutzklasse III empfohlen. In allen anderen Fällen wird empfohlen, das Ergebnis der Risikoanalyse in Betracht zu ziehen.

3. Es ist kein Blitzschutz aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Vorgaben gefordert.

Ist kein Blitzschutz gefordert, kann das Ergebnis einer (freiwillig) durchgeführten Risikoanalyse dabei helfen, die Frage nach dem Erfordernis sowie der Schutzklasse eines Blitzschutzes zu beantworten, um potenzielle Gefahren mit etwaigen verheerenden Wirkungen abzuwenden.

Exkurs: Blitzschutz bei Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen

Bei der Planung sowie Installation von Blitzschutzmaßnahmen bei Ex-Anlagen (Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen) müssen weitere einschlägige Gesetze, Verordnungen, technische Regeln sowie Normen berücksichtigt werden, beispielsweise

  • die Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln (Betriebssicherheitsverordnung – BetrSichV),
  • die Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung – GefStoffV),
  • die Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 723 „Gefährliche explosionsfähige Gemische – Vermeidung der Entzündung gefährlicher explosionsfähiger Gemische“ oder
  • die Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 509 „Lagern von flüssigen und festen Gefahrstoffen in ortsfesten Behältern sowie Füll- und Entleerstellen für ortsbewegliche Behälter“.

Hinsichtlich der Gefährdung von Personen in und in der Umgebung von Ex-Anlagen ist der Betreiber – unabhängig von der Beschäftigtenzahl – grundsätzlich verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Hierzu gehört mindestens die Erstellung eines Explosionsschutzdokuments sowie eines Ex-Zonenplans. Diese Dokumente dienen als Grundlage für die Auslegung des Blitzschutzsystems. Schutzeinrichtungen müssen stets ganzheitlich betrachtet werden. Zudem müssen mögliche Wechselwirkungen als Gefahrenpotenzial berücksichtigt werden. Aufgrund einschlägiger Normen und gesetzlicher Vorgaben muss mindestens ein Blitzschutzsystem der Blitzschutzklasse II installiert werden (vgl. TRGS 723 „Gefährliche explosionsfähige Gemische – Vermeidung der Entzündung gefährlicher explosionsfähiger Gemische“ sowie DIN EN 62305-3 Beiblatt 2 [VDE 0185-305-3 Beiblatt 2]:2012-12 „Zusätzliche Informationen für besondere bauliche Anlagen [2012-10]“).

Schutzklassenempfehlung für Blitzschutzmaßnahmen gemäß DIN EN 62305-3

Die Ermittlung der Schutzklasse eines Blitzschutzsystems kann unter Berücksichtigung der nachstehend aufgeführten Tabelle erfolgen, in der typische Einstufungen in eine Schutzklasse enthalten sind.

Bauliche Anlage/technische Einrichtung
Empfohlene Schutzklasse
Almhütte III
Altenheim III
Bank III
bauliche Anlage mit weicher Bedachung (z.B. Reetdach) II
bauliche Anlagen des Bergbaus Bergbaurechtliche Bedingungen sind zu beachten und nach Erfordernis ist die Notwendigkeit einer Einzelbetrachtung zu prüfen (vgl. VdS 2010:2021-02 „Risikoorientierter Blitz- und Überspannungsschutz“).
Beherbergungsstätte/Gästehaus III
Behindertenwerkstätte III
Behindertenwohnheim III
Festzelt III

Feuerwehr:

  • Feuerwache
  • Leitwarte
  • Gerätehaus

 

  • II
  • I
  • III

Hochregallager

III

Hotel

III

Industrie-/Produktionsanlage

III

Industrie-/Produktionsanlage mit explosionsgefährdeten Bereichen unter Berücksichtigung der TRGS 723 „Gefährliche explosionsfähige Gemische – Vermeidung der Entzündung gefährlicher explosionsfähiger Gemische“

II

Krankenhaus/Ärztehaus (medizinisch genutzte Räume nach DIN VDE 0100-710 „Errichten von Niederspannungsanlagen“ – Teil 7-710: Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art – Medizinisch genutzte Bereiche“, Gruppe 2 [z.B. OP, Intensivstation], und VdS 2010:2021-02 „Risikoorientierter Blitz- und Überspannungsschutz“)

II

Krankenhaus/Ärztehaus (Bettenhaus, Verwaltungsgebäude)

III

Land- und Forstwirtschaft (bauliche Anlage) – Heu-/Strohlager

III

Müllverbrennungsanlage

III

Museum

II

Messwarte

II

PV-Anlage

III

Rechenzentrum

I

Schifffahrtsgebäude und Anlagen (z.B. Schleuse)

III

Sirenen für den Brand- und Katastrophenschutz auf baulichen Anlagen
(vgl. DIN VDE 0855-300 „Funksende-/-empfangssysteme für Senderausgangsleistungen bis 1 kW – Teil 300: Sicherheitsanforderungen“; im Einzelfall können weitergehende Maßnahmen erforderlich sein)

III

Stätte für Tagespflege

III

Versammlungsstätte gemäß Versammlungsstättenverordnung
(Ab 200 Besuchern ist eine Einzelfallbetrachtung erforderlich, die sich an den Vorgaben für fliegende Bauten orientiert.)

III

Wohnheim

III

Quelle: DIN EN 62305-3 Beiblatt 6 (VDE 0185-305-3 Beiblatt 6) der DKE (Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE)

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  • Autor:

    Lic. jur./Wiss. Dok. Ernst Schneider

    Inhaber eines Fachredaktionsbüros

    Ernst Schneider

    Ernst Schneider ist Mitglied in der Sektorgruppe Elektrotechnik (ANP-SGE) und in der Themengruppe Produktkonformität (ANP-TGP) des Ausschusses Normenpraxis im DIN e.V.

    Er veröffentlichte bereits eine Vielzahl von Büchern, Fachzeitschriften und elektronischen Informationsdiensten. Seit 2004 ist er außerdem Unternehmensberater für technologieorientierte Unternehmen.


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