Rahmenbedingungen der Prüfung nach DIN EN 60204-1:2019-06 (VDE 0113-1)
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1. Die in der Norm DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1):2019-06 „Sicherheit von Maschinen – Elektrische Ausrüstung von Maschinen; Teil 1: Allgemeine Anforderungen“ für das Prüfen der Maschinenausrüstung aufgeführten Festlegungen sind Rahmenvorgaben, die zunächst für eine Stückprüfung beim Hersteller bzw. für die Erstprüfung beim späteren Betreiber am Montageort gelten. Die Vorgaben sind vom verantwortlichen Prüfer entsprechend den besonderen Bedingungen der jeweiligen Maschine und des jeweiligen Einsatzorts zu ergänzen. Diese speziellen Normen, Vorgaben bzw. Bedingungen machen es notwendig, die Prüfung der elektrischen Ausrüstung einer Maschine am Einsatzort als einen selbstständigen, gegenüber der Prüfung der Gesamtanlage abgegrenzten Arbeitsgang zu betrachten.
2. Wird es im Zusammenhang mit der Prüfung einer elektrischen Anlage oder durch einen gesonderten Auftrag erforderlich, eine Maschinenausrüstung zu prüfen, ist mit dem Betreiber der Anlage bzw. mit dem Anlagenverantwortlichen klarzustellen, ob und in welchem Umfang besondere Prüfgänge erforderlich sind. Zu klären sind dabei auch:
- die räumliche und technische Abgrenzung der Maschinenausrüstung gegenüber allen anderen technischen Einrichtungen des Aufstellungsorts oder Gebäudes
- das Zusammenwirken der Maschinenausrüstung mit der Versorgungsanlage (Energieversorgung, Schutzmaßnahmen)
- die Konsequenzen für die technologischen Einrichtungen, die in die Prüfung einbezogen werden müssen (Not-Aus, Verriegelungen, Fernbedienungen usw.)
- die Zuständigkeit bzw. Verantwortung des Prüfers sowie des Anlagenverantwortlichen während des Prüfens (schriftliche Festlegung!)
- die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes (Prüfer, dritte Personen) einschließlich der erforderlichen Unterweisungen
3. Vor allem bei größeren Maschinenausrüstungen mit mehreren Einspeisungen aus der Versorgungsanlage ist es empfehlenswert, jede einer Einspeisung zugeordnete Teilausrüstung als selbstständige Ausrüstung bzw. Anlage zu betrachten und soweit wie technisch möglich für sich allein zu prüfen.
4. In der Norm DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1) werden die durchzuführenden Einzelprüfungen genannt. Sie sind
- zum Teil identisch mit den nach DIN VDE 0100-600 bzw. DIN VDE 0105-100 durchzuführenden Prüfungen
oder
- ergeben sich zum Teil aus den besonderen Bedingungen der Maschinenausrüstungen.
Einige dieser Prüfungen sind zwingend erforderlich. Die anderen sind durchzuführen, wenn dies z.B. in der Produktnorm gefordert oder vom Prüfer als notwendig angesehen wird.
5. Prüfablauf für die elektrische Ausrüstung nach Abschnitt 18 der DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1):2019-06
- Prüfung, ob die elektrische Ausrüstung mit ihrer technischen Dokumentation übereinstimmt
- Prüfung der Durchgängigkeit der Schutzleiterstromkreise (Prüfung 1 nach Abschnitt 18.2.2)
- Prüfung, ob beim Fehlerschutz durch automatische Abschaltung der Stromversorgung die vorgeschriebenen Bedingungen nach Abschnitt 18.2 eingehalten werden
- Prüfung des Isolationswiderstands nach Abschnitt 18.3
- Spannungsprüfung (s. 18.4)
- Prüfung des Restspannungsschutzes (s. 18.5);
- Prüfung der Anforderungen an die elektrische Ausrüstung mit Erdableitströmen größer als 10 mA nach Abschnitt 8.2.6 (soweit anwendbar)
- Prüfung der Funktionen (s. 18.6)
6. Beim täglichen Betrieb in Gewerbe- und Produktionsbetrieben ergeben sich erfahrungsgemäß häufig größere und andere Verschmutzungen, als ursprünglich vom Errichter bzw. Auftraggeber angenommen wurde. Daher sollte immer geprüft werden, ob die Schutzart (IP-Code) der elektrischen Ausrüstungen für die tatsächlich auftretenden Umwelteinflüsse und technologischen Verschmutzungen ausreichend ist.
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7. Art und Eigenschaften der elektrischen Ausrüstung einer Maschine werden wesentlich von der technologischen Aufgabe und dem Grad der Automatisierung des Produktionsprozesses bestimmt. Eine wesentliche Rolle spielen dabei die Frequenzumrichter, sowohl hinsichtlich ihrer technischen Funktionen als auch ihrer störenden Auswirkungen. Es ergeben sich fast immer Besonderheiten (Datenleitungen, Oberwellen, elektromagnetische Felder, Temperaturabhängigkeit, Regelverhalten usw.), die nur im jeweils vorliegenden Fall erkannt und ggf. bei der Prüfung berücksichtigt werden müssen. Besonders betrifft dies die richtige Auswahl des FI-Schutzschalters (RCD) oder einer Differenzstromüberwachung bei Ausrüstungen, deren Ableit- bzw. Fehlerstrom Gleichstromanteile aufweist: Es betrifft ebenso die Auslegung des Neutralleiterquerschnitts.
Welche Einzelprüfungen daher über das übliche Prüfprogramm hinaus vorzunehmen sind, sollte der Prüfer – immer gemeinsam mit dem Betreiber bzw. dessen Anlagenverantwortlichen – ermitteln und festlegen. Dabei müssen auch die Vorgaben einer ggf. vorhandenen Produktnorm und die Festlegungen des Herstellers in der Dokumentation der Maschine berücksichtigt werden.
8. Die Vorgaben zur Prüfung in DIN EN 60204-1:2019-06 VDE 0113-1 haben für den Betreiber nicht nur hinsichtlich der Erstprüfung, sondern ebenso auch für die Wiederholungsprüfung der Maschinenausrüstung Bedeutung. Es geht ja bei beiden Prüfungen um den gleichen Nachweis der gleichen Sicherheit.
Möglich ist jedoch, auf bestimmte Prüfungen oder Prüfschritte zu verzichten, weil
- die Ergebnisse der letzten Wiederholungsprüfung dies zulassen und/oder
- eine ständige Überwachung bestimmter Werte/Eigenschaften erfolgt.
Dies darf allerdings nur dann geschehen, wenn die notwendige Sicherheit nachweislich eingehalten wird.
Ebenso sind ggf. zusätzliche Aktivitäten erforderlich,
- die sich aufgrund der vorstehenden Informationen oder
- aus der Beurteilung von Abnutzungs-/Verschleißerscheinungen oder der beim Betreiben entstandenen Ausfälle an der Ausrüstung oder
- durch etwaige Anpassungsforderungen der dazu berechtigten Institutionen oder
- dem Stand der Technik (Differenzstromüberwachung, allstromsensitive Fehlerstromschutzeinrichtung usw.) oder
- Änderungen an der Ausrüstung
ergeben.
9. Eine besondere Bedeutung hat bei der Wiederholungsprüfung älterer Maschinenausrüstungen die Notwendigkeit der Anpassung des Finger- bzw. Handrückenschutzes in den dem Bedienungspersonal zugänglichen Schaltschränken usw. In diesen Fällen sind die entsprechenden Schutzeinrichtungen bzw. Abdeckungen nachzurüsten (siehe § 4 Abs. 6 DGUV Vorschrift 3, DIN EN 50274 (VDE 0660-514):2002-11 sowie auf den folgenden Abbildungen).
10. Erfahrungsgemäß entsprechen auch die Not-Aus-Einrichtungen oftmals nicht den aktuellen Normenvorgaben oder den durch die örtlichen Bedingungen entstehenden Anforderungen. In diesen Fällen sollte eine Anpassung vorgenommen werden.
11. Eine kleine ortsveränderliche Maschine (siehe Abb. 3) kann als elektrisches Gerät angesehen werden und aufgrund der Neufassung der DIN VDE 0701-0702 nach einer Reparatur bezüglich der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen von Elektrogeräten nach DIN EN 50678:2021-02 (VDE 0701) bzw. bei Wiederholungsprüfungen nach DIN EN 50699:2021-06 (VDE 0702) geprüft werden. Welche Prüfnorm gewählt werden muss, richtet sich danach, ob auf diese Weise die erforderliche Sicherheit des elektrischen Geräts bzw. der Maschinenausrüstung sichergestellt werden kann. Zu entscheiden hat dies der jeweils verantwortliche Prüfer.
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