Prüfung des Typenschilds auf Betriebsmitteln
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Die Prüfung handgeführter elektrischer Betriebsmittel nach DIN VDE 0701-0702 beinhaltet auch die Prüfung der Lesbarkeit des Typenschilds. Dabei herrscht oftmals Unsicherheit darüber, inwieweit Angaben auf einem Typenschild vorhanden sein müssen und ob eine Fabriknummer angebracht sein muss.
Normative Grundlagen
Um diesen Sachverhalt klären zu können, müssen zunächst die anwendbaren Regelwerke zusammengestellt und erklärt werden.
Eine Prüfung von elektrischen Geräten im Unternehmen ist seit Einführung der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) zwingend durchzuführen. Zur Konkretisierung dieser Grundanforderung aus der BetrSichV gibt es die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS), die die Mindestvorgaben des staatlichen Arbeitsschutzes darstellen. Dabei werden neben technischen und organisatorischen Vorgaben (TRBS 1201) auch die Anforderungen an den Prüfer (TRBS 1203) beschrieben.
Bei der Umsetzung dieser Vorgaben bedient man sich den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Hier muss unterschieden werden einerseits zwischen den Mindestanforderungen für Hersteller, die grundlegend in der europäischen Niederspannungsrichtlinie definiert werden und in Produktnormen wie der DIN-VDE-Reihe 0740 (Produktnorm für motorisch betriebene Elektrohandwerkszeuge) spezifiziert werden und andererseits der Normen für Anwender und Prüfer – wie in diesem Fall die DIN VDE 0701-0702 (Prüfung nach Instandsetzung, Änderung und Wiederholungsprüfung).
Diese TRBS 1201 (Prüfungen und Kontrollen von Arbeitsmitteln und überwachungsbedürftigen Anlagen) gilt grundsätzlich für alle Arbeitsmittel, also auch für Elektrohandwerkszeuge. Von staatlicher Seite werden hier die Schutzziele definiert, die mit der Prüfung erreicht werden sollen. Dazu muss zunächst der „Soll-Zustand“ des Arbeitsmittels definiert werden:
„2.1 Prüfung
[…]
(3) Der Sollzustand ist der vom Arbeitgeber festgelegte sichere Zustand des Arbeitsmittels (siehe TRBS 1111).“
Ein Blick in die TRBS 1111 liefert die genaue Definition.
„4.6 Ermittlung von Art und Umfang erforderlicher Prüfungen und der Voraussetzungen der zur Prüfung befähigten Personen, Festlegung des Soll-Zustandes des Arbeitsmittels (§ 3 Absatz 6 BetrSichV)
(1) Der Sollzustand ist der vom Arbeitgeber festgelegte sichere Zustand des Arbeitsmittels, der sich aus dem Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung ergeben muss. Bei der Festlegung des Sollzustandes sind insbesondere zu berücksichtigen:
- Rechtsvorschriften und technische Regeln mit Anforderungen an Arbeitsmittel einschl. überwachungsbedürftige Anlagen;
- Art der mit dem Arbeitsmittel auszuführenden Arbeiten, Funktion des Arbeitsmittels, standardisierte oder vereinbarte Betriebsbedingungen wie Herstellerspezifikationen oder das Schutzkonzept von Anlagen;
- Informationen zum Arbeitsmittel, insbesondere die Betriebsanleitung des Herstellers;
- Angaben zu sicherheitsrelevanten Sachverhalten wie
- erforderliche Sicherheitsabstände und ggf. vorhandene Gefahrenbereiche,
- erforderliche Mess-, Steuer-und Regelvorrichtungen,
- Leistungsaufnahme,
- Schallleistungspegel,
- zulässige Abnutzungsraten,
- erforderliche Schutzeinrichtungen wie Lichtschranken, Kontaktleisten oder Schutzgitter,
- Grenzbedingungen (z.B. Drehzahl, Geschwindigkeiten, Lasten, Bearbeitungszeiträume, Druck, Temperatur),
- Umgebungsbedingungen wie Klima und Beleuchtung;
- Betriebsabläufe;
- Zugangsmöglichkeiten;
- Erfahrungswerte aus der Prüfung vergleichbarer Arbeitsmittel.“
So muss also zunächst einmal bestimmt werden, wie ein Arbeitsmittel beschaffen sein muss, damit es den zu erwartenden Anforderungen genügt. Dies wird in der Praxis häufig rückwirkend mit einer Gefährdungsbeurteilung nach Betriebssicherheitsverordnung erledigt, in der Prüfart, Prüfumfang und Prüfintervall festgelegt werden.
Neben den technischen Anforderungen an Arbeitsmittel wird auch definiert, welche Qualifikation ein Prüfer aufweisen muss, um Arbeitsmittel zu prüfen. Der Prüfer bestätigt mit seiner Prüfung den sicheren Zustand des Arbeitsmittels. Dazu muss er sich am Stand der Technik orientieren und kann sich auf die technischen Regelwerke berufen. Letztendlich muss der Prüfer allein entscheiden, ob das Schutzziel erreicht wird.
TRBS 1203 (Befähigte Personen)
2.4 Zeitnahe berufliche Tätigkeit
(1) […] Zur zeitnahen beruflichen Tätigkeit zum Erhalt der Prüfpraxis gehört die Durchführung von oder Beteiligung an mehreren Prüfungen pro Jahr. […]
(2) Die zur Prüfung befähigte Person muss über Kenntnisse zum Stand der Technik hinsichtlich der sicheren Verwendung des zu prüfenden Arbeitsmittels und der zu betrachtenden Gefährdungen soweit verfügen, dass sie insbesondere
- den Istzustand ermitteln,
- den Istzustand mit dem vom Arbeitgeber festgelegten Sollzustand vergleichen sowie
- die Abweichung des Istzustands vom Sollzustand bewerten kann.“
Die DIN VDE 0701-0702 (Prüfung nach Instandsetzung, Änderung und Wiederholungsprüfung) ist das maßgebliche Regelwerk für den Prüfer. Der Anwendungsbereich erstreckt sich auf alle elektrischen Geräte, die mit Niederspannung betrieben werden.
Für spezielle Geräte (Lichtbogenschweißgeräte, Medizinprodukte, explosionsgeschützte Geräte …) gibt es spezielle Prüfnormen.
Im Abschnitt 5.2 der DIN VDE 0701-0702 wird die Sichtprüfung beschrieben, die auch den folgenden Punkt enthält:
Tipp der Redaktion
Seit Februar 2021 ist die Norm DIN EN 50678 VDE 0701:2021-02 gültig. Sie trägt den Titel „Allgemeines Verfahren zur Überprüfung der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen von Elektrogeräten nach der Reparatur“. Im Juni 2021 ist außerdem die Norm DIN EN 50699 VDE 0702:2021-06 mit dem Titel „Wiederholungsprüfung für elektrische Geräte“ erschienen.
„- Lesbarkeit aller der Sicherheit dienenden Aufschriften oder Symbole, der Bemessungsdaten und Stellungsanzeigen.“
Diese Anforderung ist jedoch schon vorher im Abschnitt 5.1 relativiert worden:
„Jede Einzelprüfung muss mit positivem Ergebnis abgeschlossen worden sein, bevor die nächste begonnen wird. Kann eine der Einzelprüfungen nicht durchgeführt werden, so ist vom Prüfer zu entscheiden, ob die Sicherheit des Geräts trotzdem bestätigt werden kann. Diese Entscheidung ist zu begründen und zu dokumentieren.“
Jedes elektrische Gerät muss identifizierbar sein. Schon in der europäischen Niederspannungsrichtlinie (2006/95/EG) wird im Anhang 1 grundsätzlich auf die Notwendigkeit eines Typenschilds hingewiesen:
„1. Allgemeine Bedingungen
a) Die wesentlichen Merkmale, von deren Kenntnis und Beachtung eine bestimmungsgemäße und gefahrlose Verwendung abhängt, sind auf den elektrischen Betriebsmitteln oder, falls dies nicht möglich ist, auf einem beigegebenen Hinweis angegeben.“
Auch hier findet sich das Schutzziel der Betriebssicherheitsverordnung wieder: Der sichere Zustand des Arbeitsmittels hängt von Umgebungsbedingungen ab, die bereits vom Hersteller definiert und dokumentiert werden sollten. Diese Umgebungsbedingungen können neben den klimatischen Einsatzbedingungen z.B. auch die Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA) oder eine Einschränkung des Benutzerkreises sein.
Für handgeführte Elektrowerkzeuge gelten besondere konstruktive Anforderungen. Genauso wie für alle anderen Produktgruppen von elektrischen Geräten werden hier allgemeine Anforderungen an das Typenschild gestellt, die der Hersteller beachten muss.
Grundsätzlich müssen (nach DIN VDE 0740-1) mindestens folgende Angaben auf dem Typenschild von handgeführten Elektrowerkzeugen zu finden sein:
- Spannung/Frequenz
- Stromaufnahme oder Leistung
- Hersteller, Typenbezeichnung und Baujahr
- gegebenenfalls Symbol für Schutzklasse II
- Schutzart (z.B. „IP 43“)
- gegebenenfalls Symbol „Betriebsanweisung lesen“ oder Sicherheitszeichen
Je nachdem, um was für ein Gerät es sich handelt, könnten zusätzliche Angaben erforderlich sein. Dies ist in speziellen Produktnormen festgelegt. So muss z.B. bei Winkelschleifern zusätzlich das Symbol „Schutzbrille tragen“ vorhanden sein. Die Angabe einer Serien- oder Fabriknummer ist nicht zwingend vorgeschrieben. Allein zu Dokumentationszwecken während der Fertigung sollte allerdings eine Identifikation jeder einzelnen Maschine möglich sein. In der Praxis besitzen fast alle Elektrohandwerkszeuge eine eindeutige Identifikation. Die Angabe der Schutzart ist nach Produktnorm nur erforderlich, wenn sie von IP X0 abweicht. Ohne jede Angabe kann also ein Gerät sein, das einen beliebigen Schutz gegen Fremdkörper aufweist, jedoch nicht gegen Eindringen von Wasser geschützt ist. Alle wassergeschützten Geräte müssen gekennzeichnet werden.
Bei Geräten für haushaltsähnliche Anwendungen können die erforderlichen Angaben auch weniger ausführlich sein. Bei Lichtbogenschweißgeräten schreibt die entsprechende Produktnorm (DIN VDE 0544-1) sogar genau vor, wie ein Typenschild aufgebaut sein muss. Alle diese Anforderungen gelten für den Hersteller. Er muss zudem gewährleisten, dass diese Angaben „dauerhaft“ angebracht sind. Aus der täglichen Praxis wissen wir jedoch, dass dies kaum immer möglich ist. Eine Festlegung, wie ein nicht mehr lesbares Typenschild ersetzt werden muss, findet sich nicht in den technischen Regelwerken.
Bei der Prüfung kein Typenschild mehr vorhanden – und nun?
Die erste Frage sollte nun sein, ob das Gerät ohne Typenschild noch identifizierbar ist. Jedes Arbeitsmittel muss seinem Prüfprotokoll zuzuordnen sein. Kann der Prüfer das Gerät ohne Typenschild überhaupt noch zuordnen?
Oft wird zusätzlich zu dem Typenschild noch eine weitere Identifikation wie eine Inventarnummer angebracht. Ist diese noch vorhanden, kann der Prüfer sich auch ohne Typenschild die grundsätzlich notwendigen Angaben zum Prüfling aus den Unterlagen der letzten Prüfung holen, sofern er diese benötigt.
Wozu benötigt man dann überhaupt bei der Benutzung und bei der Prüfung ein Typenschild?
Je nachdem, um welches Gerät es sich handelt, sind für den Nutzer wichtige Angaben auf dem Typenschild dargestellt, die sicherstellen, dass er das Arbeitsmittel bestimmungsgemäß und sicher benutzen kann. Neben Sicherheitshinweisen können auch technische Angaben wie „maximaler Bohrerdurchmesser“ oder Nenndrehzahl angegeben sein.
Die Angabe der Schutzart muss nicht in jedem Fall auf dem Typenschild vorhanden sein. Fehlt sie, muss davon ausgegangen werden, dass das Arbeitsmittel keinen besonderen Schutz gegenüber Nässe aufweist. Wenn der vorgesehene Einsatzbereich des Arbeitsmittels nur im geschützten Innenraum unter trockenen Bedingungen vorgesehen ist, muss der Benutzer nicht auf die Angabe der Schutzart achten, bevor er das Arbeitsmittel benutzt.
Wenn Arbeitsmittel ausschließlich von unterwiesenen Fachkräften benutzt werden und diese einen „persönlichen“ Arbeitsmittelbestand benutzen, kennen sie sich mit „ihren“ Arbeitsmitteln aus und sind nicht so auf die technischen Angaben des Typenschilds angewiesen, wie z.B. bei der Verwendung in einer Ausbildungswerkstatt.
Unverzichtbar hingegen sind sicherheitsrelevante Hinweise auf Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA).
Mindestschutzarten
Die Produktnormen machen in der Regel keine Angaben zu erforderlichen Mindestschutzarten. Nach DIN-VDE-Reihe 0740 wäre es normativ auch möglich, Elektrohandwerkszeuge in IP 1X (handrückensicher, beliebiger (oder kein) Schutz gegen Nässe) herzustellen. Tatsächlich richtet sich die erforderliche Schutzart nach den zu erwartenden Einsatzbedingungen.
Prüfgerät mit einprogrammierten Prüfabläufen
Grundsätzlich sind die in Prüfgeräten vorgegebenen Prüfabläufe keinesfalls so gestaltet, dass sie jede mögliche Prüfsituation abdecken können. Mit der DIN VDE 0701-0702 wurde dem Prüfer mehr Eigenverantwortung bei der Beurteilung von Messergebnissen und somit der Bewertung des arbeitssicheren Zustands übertragen.
Es wird vom Prüfer verlangt, dass er selbstständig festlegen kann, welche Prüfschritte anwendbar und sinnvoll sind, um das Schutzziel sicherzustellen. Das Auslassen von einzelnen technisch möglichen Prüfschritten muss im Prüfbericht begründet werden. Auch kann es sinnvoll sein, bestimmte Prüfergebnisse zu kommentieren. Hier bieten vom Prüfgerätehersteller fest programmierte Prüfabläufe fast immer sehr wenig Spielraum.
Die Dokumentation mit „Papier und Stift“ oder der Einsatz von Prüf-Software hat eindeutige Vorteile. Beide Arten der Dokumentation sind flexibel genug, um die individuellen Anforderungen der DIN VDE 0701-0702 und der Betriebssicherheitsverordnung erfüllen zu können.
Gefährdungsbeurteilung
Wenn bekannt ist, dass Typenschilder und Beschriftungen bestimmter Arbeitsmitteltypen öfter unleserlich werden, kann dieser Umstand auch in der notwendigen Gefährdungsbeurteilung nach Betriebssicherheitsverordnung mit betrachtet werden. Hier könnte eine Entscheidung getroffen werden, ob die Kennzeichnungen selbst erneuert werden, nicht erneuert werden müssen oder vom Hersteller zu erneuern sind.
Der Hersteller ist bei der Erneuerung des Typenschilds nicht an seine Produktnorm gebunden, da er bei dem Gerät ja streng genommen eine Reparatur durchführt. Bei einer Reparatur gilt die DIN VDE 0701-0702, deshalb müsste er dabei eigentlich das Gerät identifizierbar halten, also ggf. eine neue Ersatz-Seriennummer vergeben.
Fazit
Der Prüfer bestätigt mit seiner Prüfung den arbeitssicheren Zustand des Geräts. Ob dies auch ohne Typenschild möglich ist, ist abhängig von den möglichen Gefährdungen. Die Regelwerke fordern nur die Bewertung „sicherheitsdienlicher Aufschriften“, ohne dies näher zu spezifizieren.
Autor: Michael Lochthofen
Beitrag aus dem Jahr 2012, wurde geprüft und aktualisiert am 22.05.2020
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