Schutzleiterstrom elektrischer Arbeitsmittel mit Heizelementen
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Frage aus der Praxis
Wir prüfen regelmäßig elektrische Arbeitsmittel, u.a. auch Waschmaschinen, Trockner und Spülmaschinen. Dabei kommt es auffallend häufig vor, dass der Schutzleiterstrom der Maschinen den Grenzwert nach DIN VDE 0701-0702 von 3,5 mA überschreitet. Wieso können bei diesen Geräten die Grenzwerte regelmäßig nicht eingehalten werden? Wie muss ich die Grenzwertüberschreitung bewerten? Müssen wir die Maschinen der weiteren Nutzung entziehen?
Tipp der Redaktion
Seit Februar 2021 ist die Norm DIN EN 50678 VDE 0701:2021-02 gültig. Sie trägt den Titel „Allgemeines Verfahren zur Überprüfung der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen von Elektrogeräten nach der Reparatur“. Im Juni 2021 ist außerdem die Norm DIN EN 50699 VDE 0702:2021-06 mit dem Titel „Wiederholungsprüfung für elektrische Geräte“ erschienen.
Antwort des Experten
Christoph Schäufle
Prüfen ortsveränderlicher elektrischer Arbeitsmittel
Erst mal vorweg: Laut DIN VDE 0105-100 „Betrieb von elektrischen Anlagen“ sind Betriebsmittel, die über eine Steckvorrichtung angeschlossen werden, nach DIN VDE 0701-0702 zu prüfen. (→ Hier kommen Sie zum Protokoll für elektrische Arbeitsmittel – elektrische Geräte.)
Nach der DIN VDE 0701-0702 zählt die Messung des Schutzleiterstroms neben der Sichtprüfung, der Prüfung des Schutzleiterwiderstands, der Messung des Isolationswiderstands und des Berührungsstroms sowie der Funktionsprüfung zu einer vollständigen Prüfung ortsveränderlicher elektrischer Arbeitsmittel.
Hier finden Sie einen grundlegenden Artikel zur Messung des Isolationswiderstands.
Downloadtipps der Redaktion
DIN EN 50678 (VDE 0701) regelt Überprüfung reparierter Elektrogeräte
Hier gelangen Sie zum Download.
DIN EN 50699 (VDE 0702) für Wiederholungsprüfung elektrischer Geräte
Hier gelangen Sie zum Download.
E-Book: VDE 0701 und VDE 0702
Hier gelangen Sie zum Download.
Die mit der Prüfung der Arbeitsmittel beauftragte befähigte Person – siehe § 2 Absatz 6 Betriebssicherheitsverordnung, konkretisiert durch die Technische Regel für Betriebssicherheit TRBS 1203 „Befähigte Personen“ – legt zwar den genauen Prüfablauf fest, muss dabei aber die Anforderungen umsetzen, die in der DIN VDE 0701-0702 festgehalten sind. Bei einer Abweichung von den allgemein anerkannten Regeln der Technik, in diesem Fall der DIN VDE 0701-0702, muss der Prüfer die Gleichwertigkeit seiner Maßnahmen belegen. Dabei handelt es sich um die sogenannte Beweislastumkehr.
Verfahren zur Messung des Schutzleiterstroms
Zur Messung des Schutzleiterstroms dürfen nach DIN VDE 0701-0702 das Ersatz-Ableitstrommessverfahren, die direkte Messung und das Differenzstrommessverfahren Anwendung finden. Diese Verfahren werden im Folgenden kurz erläutert.
Ersatz-Ableitstrommessverfahren
Das Ersatz-Ableitstrommessverfahren darf als alternatives Messverfahren nur dann angewandt werden, wenn vorher eine vollständige und bestandene Isolationswiderstandsmessung durchgeführt wurde. Ähnlich wie beim Isolationswiderstand wird durch das Messgerät L und N verbunden und mit einer Prüfspannung versorgt. Das Arbeitsmittel wird somit nicht mit Netzspannung versorgt, und Geräteteile, die über Relais geschaltet werden, werden nicht in die Prüfung einbezogen. Aus diesem Grund kommt es bei diesem Messverfahren häufig zu Fehlanwendungen.
Direkte Messung
Beim direkten Messverfahren versorgt das Messgerät den Prüfling mit 230 V Netzspannung, sodass sich dieser im Betriebszustand befindet. Dadurch können alle Komponenten aktiv geschaltet werden. Es wird der Strom gemessen, der direkt über den Schutzleiter abfließt.
Nachteil ist allerdings, dass der Prüfling isoliert aufgestellt werden muss und bis auf die Stromversorgung alle Anschlussleitungen (z.B. Wasser- und Abwasserschlauch wie auch Netzwerkanschlüsse) getrennt werden müssen. Ansonsten könnte sich der Schutzleiterstrom über weitere Erdverbindungen aufteilen.
Differenzstrommessverfahren
Auch beim Differenzstrommessverfahren werden 230 V Netzspannung auf den Prüfling geschaltet, um diesen in den aktiven Betriebszustand zu versetzen. Das Messgerät vergleicht hineinfließende und abfließende Ströme und ermittelt so den Differenzstrom. So werden sämtliche Ströme erfasst, die über das Erdpotenzial abfließen. Aus diesem Grund eignet sich das Differenzstrommessverfahren in den meisten Fällen am besten.
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Wichtige Hinweise für die Durchführung der Messung
Der Schutzleiterstrom kann nur dann optimal erfasst werden, wenn alle Schalter, Regler usw. geschlossen und somit alle Komponenten des Prüflings aktiv geschaltet sind.
Gegebenenfalls muss der Prüfer die Messung in mehreren Schalterstellungen durchführen. Außerdem muss sie nach dem direkten als auch nach dem Differenzstrommessverfahren in beiden Steckerpositionen erfolgen.
Besonderheiten elektrischer Arbeitsmittel mit Heizelementen
Bei Waschmaschinen, Trocknern und Spülmaschinen kann es aufgrund der internen Heizelemente zu erhöhten Schutzleiterströmen kommen. Es gelten für diese Geräte besondere Grenzwerte.
Grenzwerte (Höchstwerte)
Die DIN VDE 0701-0702 unterscheidet zwischen
- allgemeinen Geräte und
- Geräten mit eingeschalteten Heizelementen einer Gesamtleistung über 3,5 kW.
Gemäß der Norm muss bei allgemeinen Geräten der Grenzwert von 3,5 mA unterschritten werden. Im Fall elektrischer Betriebsmittel mit eingeschalteten Heizelementen erlaubt die Vorschrift 1 mA pro Kilowatt Heizleistung. Ein Höchstwert von 10 mA darf jedoch ohne besondere Maßnahmen in keinem Fall überschritten werden.
Beispiele
Handelt es sich bei dem Prüfling beispielsweise um einen Trockner mit 5 kW Gesamtheizleistung, so darf der Schutzleiterstrom maximal 5 mA betragen. Ein Heizlüfter mit 11 kW Gesamtheizleistung muss den Normenanforderungen von maximal 10 mA Rechnung tragen.
Die Messwerte überschreiten die zulässigen Grenzwerte
Weist ein Prüfling höhere Werte auf, als die DIN VDE 0701-0702 zulässt, ist es die Aufgabe des Prüfers festzustellen, ob die speziellen Produktnormen andere Grenzwerte für das zu prüfende Gerät vorschreiben. Sind keine Produktnormen vorhanden, gelten die Herstellerangaben.
In diesem Fall muss sich die befähigte Person bei dem entsprechenden Hersteller informieren, ob eine Einhaltung der geforderten Grenzwerte aus technischen Gründen nicht möglich ist. Wird dabei der Grenzwert von 10 mA überschritten, müssen besondere Maßnahmen ergriffen werden.
Gewährleistung der Sicherheit der Produkte
Es liegt in der Verpflichtung des Herstellers, bei Überschreitung des Grenzwerts von 10 mA durch weitere Maßnahmen trotzdem die Sicherheit seiner Produkte zu gewährleisten. Dieser Verpflichtung kann er z.B. durch den Einbau verstärkter oder zusätzlicher Schutzleiter gerecht werden. Wurden bei dem Prüfling nicht die erforderlichen Vorkehrungen getroffen, muss der Prüfer das Gerät der weiteren Nutzung entziehen.
Fazit
Die befähigte Person entscheidet nach der Prüfung, ob eine sichere Nutzung des elektrischen Arbeitsmittels gewährleistet werden kann. Auch wenn die DIN VDE 0701-0702 eine Erhöhung der Grenzwerte bei Arbeitsmitteln mit eingeschalteten Heizelementen mit einer Gesamtheizleistung von über 3,5 kW ermöglicht, obliegt es daher dem Prüfer, die gemessenen Werte fachlich zu hinterfragen, besonders, wenn diese nah am Grenzwert liegen.
Dies gilt selbstverständlich neben dem Schutzleiterstrom ebenso für den Berührungsstrom sowie für den Isolations- und Schutzleiterwiderstand.
Achtung
Bei der Bewertung der ermittelten Messergebnisse muss der befähigte Prüfer die „Üblichkeitswerte“ der Prüflinge berücksichtigen! Das Messgerät unterstützt den befähigten Prüfer, nimmt ihm jedoch die Bewertung des Prüflings nicht ab.
Fundstellen
- DIN VDE 0701-0702:2008-06
- DIN VDE 0701-0702:2008-06 Anhang D
- DIN VDE 0105-100:2009-10 Anhang NA
- Technische Regel für Betriebssicherheit TRBS 1203 „Befähigte Personen“, März 2019
- DGUV Information 203-071 (BGI/GUV-I 5190) „Wiederkehrende Prüfungen ortsveränderlicher elektrischer Arbeitsmittel. Organisation durch den Unternehmer"
Beitrag aus dem Jahr 2016, wurde geprüft und aktualisiert am 04.06.2020
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