Gibt es ein Mindestalter für elektrotechnisch unterwiesene Personen?

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Gibt es ein Mindestalter für Elektrofachkräfte und elektrotechnisch unterwiesene Personen?
Gibt es ein Mindestalter für Elektrofachkräfte und elektrotechnisch unterwiesene Personen? (Bildquelle: BrianAJackson/iStock/Getty Images)

Mögliche Altersgrenzen für elektrotechnisch unterwiesene Personen und Elektrofachkräfte knüpfen an allgemeingültige, außerhalb der Elektrotechnik gelegene Gesetzmäßigkeiten an. In Kapitel 4.2 der DIN VDE 0105-100:2015-10 heißt es zwar: „Das Mindestalter und die Kriterien für die Qualifikation müssen der deutschen Gesetzgebung entsprechen.“ Diese Anmerkung hat jedoch nur klarstellenden Charakter, da die VDE-Bestimmung nicht über dem gesetzlichen Recht steht.

Frage aus der Praxis

Wir möchten in unserem Unternehmen gerne elektrotechnisch unterwiesene Personen bestellen. Hierbei kam die Frage auf, ob es ein Mindestalter gibt, um als elektrotechnisch unterwiesene Person (EuP) eingesetzt werden zu dürfen?

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Rechtlich relevante Zeitpunkte im Leben

In Zusammenfassung des deutschen Straf- und Zivilrechts, einschließlich des Deliktsrechts, gibt es im Leben eines Menschen mindestens sechs rechtlich relevante Zeitpunkte, an denen sich die Sichtweise des Rechts auf ihn häufig grundlegend ändert. Mit der Vollendung der Geburt erlangt der Mensch Rechtsfähigkeit. Diese bleibt ihm bis zu seinem Ableben erhalten und kann ihm durch nichts anderes genommen werden.

Im Weiteren ist die Vollendung des siebten Lebensjahrs ein einschneidendes Ereignis. Hier beginnt einerseits die beschränkte Geschäftsfähigkeit, die mit Vollendung des achtzehnten Lebensjahrs meist durch die volle Geschäftsfähigkeit abgelöst wird, wenn nicht irgendwelche krankhaften Störungen der Geistestätigkeit dies verhindern. Andererseits tritt mit Vollendung des siebten Lebensjahrs die Deliktsfähigkeit ein, mit der die Zurechnung einer Verantwortlichkeit für Schäden, die einem anderen zugefügt werden, einhergeht. Die Deliktsfähigkeit bleibt dem Menschen ebenfalls ein Leben lang erhalten, wenn er nicht in einen Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit gerät. Das nächste relevante Ereignis ist die Vollendung des vierzehnten Lebensjahrs. Hier beginnt die Strafmündigkeit unter Berücksichtigung des Jugendstrafrechts, die erst mit Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahrs in die endgültige Strafmündigkeit nach Erwachsenenstrafrecht übergeht. Für diese gilt ebenfalls, dass sie – vorbehaltlich der für Delikts- und Geschäftsfähigkeit analog geltenden Einschränkungen – für das weitere Leben erhalten bleibt. Mit der Vollendung des fünfzehnten Lebensjahrs endet die Kindheit und es beginnt das Jugendalter.

rechtlich relevante Lebensdaten
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Konsequenzen für die Elektrotechnik

Die Brücke zur Elektrotechnik schlägt eine kursiv gedruckte Anmerkung in Kapitel 4.2 der DIN VDE 0105-100:2015-10:

„Das Mindestalter und die Kriterien für die Qualifikation müssen der deutschen Gesetzgebung entsprechen.“

Diese Anmerkung hat jedoch nur deklaratorischen, d.h. klarstellenden Charakter, da die VDE-Bestimmung nicht über dem gesetzlichen Recht steht. Somit sind die verbindlichen gesetzlichen Vorgaben auch unabhängig von diesem Hinweis zu beachten. Ansatzpunkt ist nämlich die Verantwortung, die der Mensch in Abhängigkeit von seiner Rolle wahrzunehmen hat. Hier ist in Betrachtung der rechtlichen Fähigkeiten/Mündigkeit festzustellen, welche für die Übernahme der jeweiligen Funktion einschlägig sein könnte.

Mindestalter für elektrotechnisch unterwiesene Person

Die elektrotechnisch unterwiesene Person (EuP) hat mit Blick auf ihre Definition in Kapitel 3.2.5 der DIN VDE 0105-100 eine Hilfsfunktion in der Elektrotechnik. Sie wurde über die ihr übertragenen Aufgaben und die möglichen Gefahren bei unsachgemäßem Verhalten unterrichtet und erforderlichenfalls angelernt sowie über die notwendigen Schutzeinrichtungen und Schutzmaßnahmen unterwiesen. Die Verantwortung für den Einsatz von elektrotechnisch unterwiesenen Personen hat der Arbeitgeber oder dessen verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK). Nur unter deren Leitung und Aufsicht darf die elektrotechnisch unterwiesene Person eingesetzt werden. Allerdings muss die elektrotechnisch unterwiesene Person mindestens deliktsfähig sein, weil vorher sowohl vorsätzliches als auch fahrlässiges Handeln völlig sanktionslos bleibt.

Quelle der Deliktsfähigkeit ist § 828 BGB. Dieser regelt in Absatz 3 unter anderem, dass derjenige für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich sei, wenn er bei Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat. Diese stellt allein auf die intellektuelle Einsichtsfähigkeit ab, die dann vorliegt, wenn der Täter geistig so weit entwickelt ist, dass er generell erkennen kann, wann er Unrecht begeht, und er versteht, dass er für die Folgen solcher Handlungen irgendwie einzustehen hat [1].

Es gibt damit bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs keinen verbindlich festen Zeitpunkt zum Zustand der Deliktsfähigkeit im konkreten Fall. Es ist immer eine Einzelfallbetrachtung erforderlich. Theoretisch kann diese mit Vollendung des 7. Lebensjahrs beginnen. Damit könnte, intellektuelle Einsichtsfähigkeit sowie das Zutreffen der in Kapitel 3.2.5 der DIN VDE 0105-100 erklärten Unterweisung vorausgesetzt, bereits ein Siebenjähriger elektrotechnisch unterwiesene Person sein.

Berücksichtigt man jedoch, dass sich der Einsatz einer elektrotechnisch unterwiesenen Person im gewerblichen Umfeld bewegen wird, dann tritt hier das Jugendarbeitsschutzgesetz dazwischen. Demnach ist gemäß § 5 die Beschäftigung von Kindern verboten. Kind ist nach § 2 Abs. 1 des Jugendarbeitsschutzgesetzes (JArbSchG), wer noch nicht 15 Jahre alt ist. Davon nach § 7 ausgenommen sind Kinder, die nicht mehr der Vollzeitschulpflicht unterliegen. Kumuliert man nun die Aussagen zur Deliktsfähigkeit mit dieser Feststellung, so muss eine elektrotechnisch unterwiesene Person im gewerblichen Einsatz für einen Arbeitgeber grundsätzlich mindestens 15 Jahre alt sein und die intellektuelle Einsichtsfähigkeit besitzen. Mit den 15 Jahren ist dann auch bereits seit einem Jahr die Strafmündigkeit nach Jugendstrafrecht erreicht.

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Checkliste: Anforderungsprofil an die elektrotechnisch unterwiesene Person

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Formular: Bestellung zur elektrotechnisch unterwiesenen Person

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Formular: Bestellung zur Elektrofachkraft

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Unterweisung: Elektrotechnisch unterwiesene Person

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Mindestalter für Elektrofachkraft

Grundsätzlich gilt das zur elektrotechnisch unterwiesenen Person Gesagte auch für die Elektrofachkraft. Bei der Elektrofachkraft treten jedoch auch noch qualifikationsmäßige Statusbestandteile hinzu. Bekanntlich setzt sich der Elektrofachkraft-Status aus (abgeschlossener) elektrotechnischer Berufsausbildung, Kenntnissen und Erfahrungen sowie der Kenntnis der einschlägigen Bestimmungen zusammen. Zur Berufsausbildung gibt es den Bypass der mehrjährigen beruflichen Tätigkeit. Mehrjährige Tätigkeit liegt nach zwei Jahren vor (sieheBAG, Urteil vom 23.01.1980 – 4 AZR 105/78 –, Tenor Leitsatz 3). Jedoch legt – sofern man das vorzeitige Beenden der Vollzeitschulpflicht außer Acht lässt – nun das Jugendarbeitsschutzgesetz den Startpunkt auf das Vollenden des 15. Lebensjahrs fest. Im Rahmen der Berufsausbildung ist der angehende Elektriker keine Elektrofachkraft. Dies lässt sich einerseits aus der noch laufenden fachlichen Ausbildung genauso herleiten wie aus der Tatsache, dass eine mehrjährige Berufsausübung währenddessen gerade nicht stattgefunden hat, weil die Berufsausbildung eben keine Berufsausübung ist. Elektrofachkraft ist man daher frühestens mit Vollendung des 17. Lebensjahrs, sofern man zu diesem Zeitpunkt nicht in der Berufsausbildung steht und seit Vollendung des 15. Lebensjahrs in der Elektrotechnik gearbeitet hat. Ein Azubi ist aber niemals Elektrofachkraft.

Verantwortungen

Grundsätzlich sind die oben dargestellten Ausführungen eher akademischer Natur. Es obliegt dem Arbeitgeber, unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben nur Mitarbeiter einzusetzen, die für die vorgesehene Tätigkeit geeignet sind. Diese müssen nach § 7 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) befähigt sein, die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Aufgabenerfüllung zu beachtenden Bestimmungen und Maßnahmen einzuhalten. Gegenüber Dritten haftet der Arbeitgeber als Geschäftsherr gemäß § 280 und § 278 BGB für seine Erfüllungs- und nach § 831 BGB für seine Verrichtungsgehilfen. Nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB könnte er sich von der Haftung freizeichnen, wenn ihm kein Auswahl- oder Überwachungsverschulden unterlaufen ist. Hatte die minderjährige elektrotechnisch unterwiesene Person nicht die intellektuelle Einsichtsfähigkeit, so könnte dem Arbeitgeber nun ein Auswahlverschulden vorzuwerfen sein. Die Gehilfen haften nach den richterrechtlichen Haftungsmaßstäben des BAG für leichteste Fahrlässigkeit nicht, für normale Fahrlässigkeit anteilig und erst für grobe Fahrlässigkeit und für Vorsatz sowieso voll. Dabei haben sie auch im Außenverhältnis gegen ihren Arbeitgeber einen Anspruch auf die gleichen Haftungsregelungen. Auf das innerbetriebliche Haftungsprivileg aus § 104 und § 105 SGB VII bei Arbeitsunfällen wird nur der Vollständigkeit halber hingewiesen.

Fazit

Eine elektrotechnisch unterwiesene Person muss mindestens 15 Jahre alt sein und die intellektuelle Einsichtsfähigkeit besitzen, zwischen rechtmäßigem Handeln und Unrecht im Kontext der ihr übertragenen Aufgaben zu unterscheiden (man sprach früher auch von sittlicher Reife). Eine Elektrofachkraft muss mindestens eine elektrotechnische Berufsausbildung abgeschlossen oder ohne eine solche schon zwei Jahre in diesem Fachgebiet der Elektrotechnik, in dem sie Elektrofachkraft werden soll, gearbeitet haben. Daher wird man bei der Elektrofachkraft von einem Mindestalter von 17 Jahren – ohne Berufsausbildung – mit entsprechender intellektueller Einsichtsfähigkeit bzw. 18 Jahren bei üblicher dreijähriger Berufsausbildung ab dem vollendeten 15. Lebensjahr auszugehen haben. Vorher wird der Arbeitgeber wohl immer in ein Auswahlverschulden laufen, welches ihm die Entschuldigung über § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB versperrt.

Literatur:

[1] Katzenmeier in: Nomos-Kommentar zum BGB, § 828 Rn. 8

  • Autor:

    Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Markus Klar, LL.M.

    EABCon-Ingenieurbüro Klar - Consulting Elektrotechnik - Arbeitsschutz - Betriebsorganisation

    Markus Klar

    Markus Klar ist langjähriger, ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht Gera, seit 2011 am Landesarbeitsgericht Thüringen und als Autor und freiberuflicher Ingenieur mit dem Schwerpunkt rechtssichere Betriebsorganisation, Arbeitsschutz und Elektrosicherheit beratend tätig.

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