Baulichen Brandschutz im Industriebau richtig umsetzen
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Was sind Industriebauten?
Industriebauten sind Gebäude oder Teile von Gebäuden, die dem Gewerbe oder der Industrie zur Realisierung ihres Geschäftszwecks dienen. In diesen Gebäuden wird z.B. Produktion, Veredelung, Verwertung, Verteilung oder Lagerung von Produkten oder Gütern durchgeführt.
Die Muster-Richtlinie über den baulichen Brandschutz im Industriebau (Muster-Industriebau-Richtlinie) – kurz einfach nur MIndBauRL genannt – hat zum Ziel, die Mindestanforderungen an den Brandschutz in diesen Industriebauten zu regeln.
Meist handelt es sich bei Industriebauten um räumlich weitläufige Gebäude, die nicht selten einige tausend Quadratmeter groß sind. Als Beispiel können hier Lagerhallen einer Spedition genannt werden. Hierbei handelt es sich meist um weiträumige Hallen, in denen große Mengen brennbarer Güter gelagert werden. Um den baulichen Brandschutz dennoch zu realisieren, stellt die MIndBauRL Forderungen bezüglich:
- der Feuerwiderstandsfähigkeit von Bauteilen,
- der Brennbarkeit von Baustoffen,
- der Größe von Brandabschnitten (BA) und Brandbekämpfungsabschnitten (BBA),
- der Anordnung, Lage sowie Länge von Flucht- und Rettungswegen.
Innerhalb von Industriebauten können produktionsbedingt meist die strengen Anforderungen der Musterbauordnung (MBO) in Bezug auf den Brandschutz nicht eingehalten werden. Im Gegensatz dazu gibt es jedoch in zahlreichen Industriebauten brandschutztechnische Infrastruktur (z.B. Sprinkleranlagen) oder sogar eine Werkfeuerwehr.
Innerhalb der MIndBauRL werden deshalb zahlreiche Erleichterungen zugelassen. Diese betreffen z.B. die Größe der Brandabschnitte oder die Länge von Flucht- und Rettungswegen.
Brandabschnitt/Brandbekämpfungsabschnitt
Ein Brandabschnitt (BA) ist ein Bereich eines Gebäudes, der durch Außenwände bzw. durch Brandwände, die sich über alle Geschosse erstrecken, umfasst ist. Ein Brandbekämpfungsabschnitt (BBA) ist hingegen ein auf das kritische Brandereignis normativ bemessener Gebäudebereich, der brandschutztechnisch gegenüber anderen Gebäudeteilen abgetrennt ist. Dieser muss nicht zwingend eine Brandwand aufweisen.
In beiden Fällen besteht das Ziel darin, die Brandfortschreitung (Ausbreitung des Feuers) für eine definierte Zeit innerhalb der Umfassungswände aufzuhalten. Dies soll zum einen ausreichend Zeit schaffen, um die Evakuierung und Löschung zu ermöglichen, und zum anderen die restlichen Gebäudeteile vor den Auswirkungen von Rauch und Löschwasser bewahren.
Sieben Sicherheitskategorien
Die MIndBauRL unterteilt Industriebauten und deren Brandabschnitte bzw. Brandbekämpfungsabschnitte in insgesamt sieben Sicherheitskategorien, die wie folgt definiert sind:
- Sicherheitskategorie K 1: keine besonderen Maßnahmen vorhanden
- Sicherheitskategorie K 2: automatische Brandmeldeanlage vorhanden
- Sicherheitskategorie K 3.1: automatische Brandmeldeanlage und hauptberufliche Werkfeuerwehr in Staffelgröße (sechs Personen) vorhanden
- Sicherheitskategorie K 3.2: automatische Brandmeldeanlage und hauptberufliche Werkfeuerwehr in Gruppengröße (neun Personen) vorhanden
- Sicherheitskategorie K 3.3: automatische Brandmeldeanlage und hauptberufliche Werkfeuerwehr mit mindestens zwei Staffeln vorhanden
- Sicherheitskategorie K 3.4: automatische Brandmeldeanlage und hauptberufliche Werkfeuerwehr mit mindestens drei Staffeln vorhanden
- Sicherheitskategorie K 4: automatische Brandmeldeanlage und selbsttätige Feuerlöschanlage vorhanden
Brandmeldeanlagen haben Einfluss auf die Sicherheitskategorie
Der Einbau einer Brandmeldeanlage in einen Industriebau hat somit Einfluss auf die Einstufung in eine Sicherheitskategorie. Die Sicherheitskategorien lassen ihrerseits wiederum je nach Geschossanzahl und Feuerwiderstandsdauer der tragenden und aussteifenden Bauteile unterschiedliche Brandabschnittsflächen zu. Je höher die Sicherheitskategorien sind, desto größer dürfen die Flächenausdehnungen (Brandabschnittsflächen) von Brandabschnitten (BA) bzw. Brandbekämpfungsabschnitten (BBA) werden.
So beträgt z.B. die Brandabschnittsfläche 1.800 m2 für einen eingeschossigen Industriebau aus nicht brennbaren Baustoffen bei der Einstufung in die Sicherheitskategorie K 1. Bei der Einstufung in die Sicherheitskategorie K 4 darf der gleiche Industriebau schon eine Brandabschnittsfläche von 10.000 m2 aufweisen. Die Summe der Brandbekämpfungsabschnittsflächen (sog. virtuelle Brandabschnitte) kann sogar noch größer werden.
Alarmierungsanlagen haben Einfluss auf die Länge der Flucht- und Rettungswege
Ist zusätzlich auch eine Alarmierungsanlage (Internalarm) mit einer automatischen Aktivierung durch eine Brandmelde- oder selbsttätige Feuerlöschanlage vorhanden, so kann dies Auswirkungen auf die maximal zulässige Rettungsweglänge haben.
So muss z.B. bei einer 5 m hohen Lagerhalle ein sicherer Bereich (z.B. Ausgang ins Freie) innerhalb von 35 m Entfernung (Laufweg) erreicht werden. Beim Einsatz einer Alarmierungsanlage darf der Laufweg in der gleichen Halle auf 50 m verlängert werden.
Sicherheitsstromversorgungen für Sicherheitseinrichtungen
Je nach Ausführung des Industriebaus können auch maschinelle Rauchabzugsanlagen vorgeschrieben sein. Diese Rauchabzugsanlagen müssen teilweise für einen Weiterbetrieb im Brandfall (sog. Funktionserhalt) ausgelegt sein. Ebenso kann es aufgrund des erforderlichen Druckausgleichs notwendig sein, Nachströmöffnungen einzubauen.
Insbesondere bei maschinellen Rauchabzugsanlagen und motorisch betätigten Nachströmöffnungen kann deshalb eine Sicherheitsstromversorgung (z.B. in Form eines Notstromdiesels) mit einem Funktionserhalt im Brandfall als sicherheitstechnische Gebäudeausrüstung notwendig werden.
Funkanlage für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS-Anlagen)
In Industriebauten mit einer Brandbekämpfungsabschnittsfläche von insgesamt mehr als 30.000 m2 kann es darüber hinaus erforderlich sein, zusätzlich eine Funkanlage für die Aufrechterhaltung der Funkkommunikation für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (sog. BOS-Anlagen) vorzusehen.
Brandschutzkonzept gibt Auskunft über den Industriebau
Welche Sicherheitskategorie für den Industriebau zutrifft und ob eine Brandmeldeanlage oder eine Sicherheitsstromversorgung von der Elektrofachkraft einzuplanen ist, wird im Allgemeinen innerhalb eines Brandschutzkonzepts durch einen Brandschutzsachverständigen festgelegt.
Fazit
- Durch sicherheitstechnische Gebäudeausrüstung, wie z.B. mit einer Brandmeldeanlage, können die zulässigen Brandabschnittsflächen vergrößert werden.
- Einen Anhaltspunkt für die Einstufung in eine Sicherheitskategorie bietet die MIndBauRL.
- Rechtsverbindliche Auskunft kann die Elektrofachkraft aus dem Brandschutzkonzept entnehmen.
Weitere Beiträge
Die neue Muster-Industriebau-Richtlinie (MindBauRL) 2019
www.dibt.de: Muster-Richtlinie über den baulichen Brandschutz im Industriebau
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