Fortschrittlicher Brandschutz für elektrische Installationen und Schaltschränke in Rechenzentren

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Innenausstattung eines Schaltschrankes
Rechenzentren stellen höchste Anforderungen an den Brandschutz – insbesondere bei elektrischen Installationen und Schaltschränken. (Bildquelle: Grigorenko/iStock/Getty Images Plus)

Ein Ausfall in einem Rechenzentrum kann nicht nur wirtschaftliche Schäden in Millionenhöhe verursachen, sondern auch gesellschaftliche Prozesse lahmlegen. Besonders im Fokus steht die Elektroinstallation und Schaltschränke. Ihre hohe Energiedichte, die Vielzahl sensibler Komponenten und die beengten räumlichen Verhältnisse machen sie zum Brennpunkt präventiver Sicherheitsmaßnahmen. Dabei kommt mittlerweile auch immer häufiger künstliche Intelligenz zum Einsatz.

Zentrale Risikozone: elektrische Installationen im Schaltschrank

Ein großer Teil aller industriellen Brände wird durch Elektrizität verursacht, meist ausgelöst durch

  • einen Kurzschluss,
  • überlastete Leitungen,
  • defekte Steckverbindungen oder
  • thermische Effekte in USV-Anlagen.

Besonders kritisch sind Schaltschränke, also kompakte Gehäuse, in denen sich Leistungs- und Steuertechnik auf engem Raum bündeln. Die Kombination aus hoher Spannung, Wärmeentwicklung und oft unbemerkten Schmorprozessen schafft ein hohes Gefahrenpotenzial.

Moderne Rechenzentren setzen deshalb auf integrierte Kleinlöschsysteme, die direkt im Schaltschrank installiert werden. Sie erkennen Temperaturanstiege, Rauch oder elektrolytische Gase bereits im Frühstadium und lösen eine gezielte, rückstandsfreie Gaslöschung aus. Kombinierbare Module auf der Hutschiene ermöglichen auch den Schutz größerer Schrankreihen. Gekoppelt mit Rauchschaltern und automatisierter Anbindung an zentrale Brandmeldeanlagen kann so eine zuverlässige Früherkennung und Alarmierung erfolgen, inklusive direkter Benachrichtigung der Feuerwehr.

Früherkennung durch optische Analyse und KI

Die klassische Rauchmeldertechnik ist in Rechenzentren nur begrenzt wirksam. Der hohe Luftdurchsatz, bedingt durch die Klimatisierung, verdünnt Rauchpartikel zu stark. Stattdessen kommen laserbasierte Ansaugrauchmelder zum Einsatz. Diese Systeme analysieren permanent Luftproben auf kleinste Partikelveränderungen. Selbst Gase, die beim Versagen von Lithium-Ionen-Batterien freigesetzt werden, lassen sich damit erkennen. Ergänzt werden diese Technologien durch optische Sensoren in Lüftungskanälen, Thermokabel und punktuelle Wärmemelder.

Zunehmend halten auch KI-basierte Detektionssysteme Einzug. Sie erkennen Muster in den Sensordaten, die auf kritische Entwicklungen hinweisen, noch bevor ein Alarm ausgelöst wird. Durch Machine-Learning-Verfahren lässt sich die Fehlalarmrate senken und gleichzeitig die Reaktionsgeschwindigkeit erhöhen.

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Löschung ohne Folgeschäden: Gas, Aerosol, Stickstoff

Rechenzentren verlangen Löschtechnologien, die nicht nur wirksam, sondern auch IT-verträglich sind. Wasserbasierte Systeme sind hier fehl am Platz, sie beschädigen Server, Storage-Systeme und Netzwerktechnik irreversibel. Eingesetzt werden stattdessen Gaslöschanlagen mit Inertgasen (Stickstoff, Argon) oder chemischen Löschmitteln. Sie senken den Sauerstoffgehalt oder unterbrechen die Verbrennung

  • chemisch,
  • rückstandsfrei,
  • elektrisch neutral
  • und umweltverträglich.

Für enge Bereiche wie Schaltschränke oder lokale Einhausungen sind Aerosollöschsysteme eine platzsparende Alternative. Im Ernstfall lösen sie innerhalb von Sekunden aus und unterbrechen den Brandprozess ohne sichtbare Rückstände. Besonders bei Lithium-Ionen-Batterien kommen hochdynamische Stickstoffflutungen zum Einsatz, um einen thermischen Durchbruch (thermal runaway) zu verhindern.

Eine Besonderheit moderner Anlagen ist die Geräuschreduktion beim Gasaustritt: Spezielle Düsen vermeiden Schalldruckspitzen, die empfindliche Festplatten beschädigen könnten. Der gesamte Prozess – von der Detektion über die Raumabdichtung bis zur Gasauslösung – läuft vollautomatisch und in Sekundenbruchteilen ab. Raumklappen schließen, Chiller kühlen das Luftvolumen herunter und das Löschgas verdrängt die Atemluft zuverlässig – die Voraussetzung dafür, dass keine manuelle Intervention notwendig wird.

Schleusen, Sensorik und Digitalisierung im Zusammenspiel

Der Zugang zu Brandherden ist in Hochsicherheitsrechenzentren stark kontrolliert. Einsatzkräfte bewegen sich durch Schleusensysteme, die nur sequenziell geöffnet werden können. Die Sensorik zeigt dabei den exakten Brandherd auf digitalen Laufkarten an. Von der Detektion bis zur Lokalisierung vergehen oft nur wenige Sekunden.

Wartung, Inspektion und Dokumentation erfolgen zunehmend digital. 360°-Kamerasysteme erfassen Räume und Infrastruktur als virtuellen Zwilling. In dieser Umgebung lassen sich Feuerlöscher, Detektoren oder Brandabschnitte präzise platzieren und mit echten 3-D-Komponenten aus Produktkatalogen verknüpfen. Eine Übergabe an Prüfsoftware ermöglicht die automatisierte Normprüfung, etwa auf Basis von IFC-Dateien im BIM-Format.

Auch die Wartungsdokumentation wird zunehmend digital. Prüfungen, Inspektionen und Störmeldungen sollten revisionssicher gespeichert und für Zertifizierungsaudits bereitstehen.

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Normen, Gesetze und Zertifizierungen

Die brandschutztechnische Auslegung elektrischer Anlagen in Rechenzentren unterliegt einer Vielzahl rechtlicher Vorgaben. In Deutschland gelten

  • die Landesbauordnungen,
  • die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV),
  • die Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR) sowie
  • die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (z.B. ASR A2.2).

International kommen Normen wie die Reihe

  • DIN EN 54 (Brandmeldeanlagen),
  • DIN EN 12845 (Sprinkler),
  • DIN EN 50600 (Rechenzentrumsinfrastruktur) sowie
  • der US-amerikanische Standard NFPA 75 zur Anwendung.

Zertifizierungen nach ISO 27001 oder DIN EN 50600 setzen den Nachweis umfassender Brandschutzmaßnahmen voraus, inklusive Dokumentation, Evakuierungsplänen, Schulungen und Notfallübungen. Betreiber müssen regelmäßige Audits bestehen, ansonsten drohen rechtliche und versicherungstechnische Konsequenzen bis hin zur Entziehung der Betriebsgenehmigung.

Fallstudien: Wenn Brandschutz entscheidet

Der Rewe-Konzern betreibt in Wiener Neudorf ein modernes Rechenzentrum, das durch umfassende Brandschutzmaßnahmen abgesichert ist. Eine vollständig IP-basierte Steuerarchitektur verbindet Klimatisierung, Einhausungen, USV-Systeme und Detektion. Das Ergebnis: hohe Transparenz, automatisiertes Energiemanagement und maximale Betriebssicherheit.

Beim Brand im Rechenzentrum von OVHcloud in Straßburg 2021 konnte ein defekter USV-Schrank nicht rechtzeitig gelöscht werden – das Gebäude brannte vollständig aus. Die Schäden beliefen sich auf über 100 Millionen Euro. Dagegen zeigt der Fall eines Google-Rechenzentrums in Iowa, wie moderne Löschsysteme einen Stromausfall mit mehreren Verletzten begrenzen konnten: Der Brand wurde durch frühzeitige Detektion und abgestimmte Gaslöschung eingedämmt.

Ausblick: Brandschutz wird intelligent

Zukunftstrends im Brandschutz reichen von KI-gestützter Predictive Maintenance bis zu IoT-basierten Sensornetzwerken, die Temperatur, Luftfeuchte und Partikelkonzentration in Echtzeit erfassen. Virtual-Reality-Trainings bereiten das Personal auf reale Brandereignisse vor, ohne den Betrieb zu unterbrechen. Neue Löschmittel versprechen geringeres Treibhauspotenzial bei gleichbleibender Löschwirkung. Drohnen könnten künftig schwer zugängliche Räume kontrollieren oder gezielt Löschmittel einbringen.

Rechenzentren müssen dabei nicht nur auf technologische Entwicklungen reagieren, sie müssen ihnen vorgreifen. Denn jedes System ist nur so belastbar wie sein schwächstes Glied. Und in einer elektrifizierten Infrastruktur ist das häufig der Moment, in dem ein Funke auf ein übersehenes Kabel trifft.

  • Autor:

    Thomas Joos

    freiberuflicher Publizist

    Joos, Thomas

    Thomas Joos ist freiberuflicher Publizist und veröffentlicht neben seinen Büchern auch Artikel für verschiedene Medien wie dpa, Computerwoche und C’t.

    Seit seinem Studium der medizinischen Informatik berät er auch Unternehmen im Bereich IT, Security und Absicherung von Rechenzentren.

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