Umstritten: Brandschutzschalter nach VDE 0100-420

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Folgen eines Lichtbogens durch lose Klemmverbindungen
Folgen eines Lichtbogens durch lose Klemmverbindungen (Bildquelle: BFE)

Unbestritten ist, dass elektrischer Strom zur Brandursache werden kann. Ebenso wird niemand bezweifeln, dass technische und bauliche Maßnahmen zur Brandprävention das Risiko für das Entstehen und Ausbreiten eines Feuers deutlich verringern können. Dennoch kann es über konkrete Brandschutzanforderungen zum Streit kommen, wie die Diskussion um die DIN VDE 0100-420:2016-02 zeigt.

Achtung

Seit 01. Oktober 2019 gilt die DIN VDE 0100-420:2019-10.

Die alte Fassung der Norm vom Februar 2016 inklusive der Berichtigung 1 darf bis zum 30.09.2021 aufgrund einer Übergangsregelung nur noch für sich in Planung oder im Bau befindliche Niederspannungsanlagen angewandt werden.

Die Anzahl elektrischer Verbraucher in privaten Haushalten ist in den letzten Jahrzehnten enorm gewachsen. Dazu kommt, dass mit dem Trend zum Smart Home immer mehr Gebäudefunktionen vernetzt und an bestehende Elektroinstallationen angeschlossen werden müssen. In Gebäuden aus den 70er Jahren und älter sind die vorhandenen elektrischen Installationen selten auf diese neuen Anforderungen ausgelegt. Veraltete Betriebsmittel und defekte elektrische Systeme werden mitverantwortlich gemacht für viele Brände mit Toten, Verletzten und teils hohen Sachschäden.

Fehlerlichtbögen als Brandursache

Physikalisch betrachtet sind es oft Fehlerlichtbögen, die zur Brandursache werden. Die Gründe für das Entstehen eines solchen Lichtbogens können schon kleinere Beschädigungen sein, zu denen es im Lauf der Jahre oft unbemerkt gekommen ist. Das reicht von gequetschten oder abgeknickten Elektroleitungen, beschädigten Kabelisolierungen oder gelockerten Kontakten in Schaltern bis zu Knabberstellen von Mäusen oder Ratten. Schon bei geringen Stromstärken kann es an Stellen mit defekter Isolierung, gebrochenem Leiter oder Klemmstellen mit erhöhtem Widerstand zu kleinen Glühvorgängen kommen, die auf Dauer zu einem Verkohlen führen. Bei typischen Haushaltsgeräten mit Stromstärken bis etwa 10 Ampere treten am ehesten Lichtbögen auf. Bei noch höheren Stromstärken verdampft das verkohlte Material meist.

Im Gegensatz zu den klassischen Fehlerstrom(FI)-Schutzeinrichtungen erkennen Brandschutzschalter sowohl parallele Lichtbögen (zwischen zwei Außenleitern, zwischen Außenleiter und Neutralleiter oder Erde), als auch serielle Lichtbögen (lose elektrische Verbindung, kein Ableitstrom zur Erde).

Registriert ein Brandschutzschalter einen Fehlerlichtbogen, schaltet er den angeschlossenen Stromkreis sofort ab und unterbindet das weitere Brandrisiko. Nicht ohne Grund sind Brandschutzschalter daher in den USA vorgeschrieben. Eine neue Norm soll ihre Verbreitung nun auch in Deutschland beschleunigen.

Die DIN VDE 0100-420 verlangt AFDDs für bestimmte Räume und Gebäude

Die DIN VDE 0100-420 mit dem Titel „Teil 4-42: Schutzmaßnahmen – Schutz gegen thermische Auswirkungen“ ist 2016 neu erschienen. (Anmerkung der Redaktion vom 12. Februar 2020: Inzwischen wurde die Norm novelliert. Seit dem 01. Oktober 2019 gilt die DIN VDE 0100-420:2019-10.) In dieser Norm geht es um Maßnahmen gegen thermische Auswirkungen durch Betriebsmittel in Niederspannungsanlagen, kurzum die Brandprävention. Ursachen für Brandrisiken können z.B. Wärmestau, Überstrom oder die oben genannten Isolationsfehler sein.

AFDDs sollen die Brandprävention verbessern und Brandfälle verringern.
AFDDs sollen die Brandprävention verbessern und Brandfälle verringern. (Bildquelle: BFE)

Eine der wichtigsten Neuerungen ist die Aufnahme zusätzlicher Anforderungen zur automatischen Abschaltung bei gefährlichen Lichtbögen. Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtungen, im Technik-Jargon auch AFDD genannt (Arc Fault Detection Device), sollen die Brandprävention verbessern und die Zahl der Brandfälle deutlich verringern. Die Norm enthält einen Anhang A mit Informationen zu den unterschiedlichen Ausführungsformen von AFDDs.

Als konkrete Einsatzbereiche, in denen AFDD-Brandschutzschalter installiert werden sollen, benennt die Norm:

  • Schlaf- und Aufenthaltsräume in Kindertagesstätten oder Seniorenheimen
  • Schlaf- und Aufenthaltsräume von barrierefreien Wohnungen nach DIN 18040-2
  • Räume mit Feuerrisiko durch verarbeitete oder gelagerte Materialien (Tischlerei)
  • Gebäude mit brennbaren Baustoffen (Holzhäuser)
  • Räume mit Gefährdungen für unersetzbare Güter (Museen, Lagerhallen)

Die DIN VDE 0100-420 sieht AFDDs für die genannten Gebäudetypen und Räume seit Ende 2017 vor. Sie empfiehlt den Einsatz auch für Endstromkreise, die über Steckdosen Verbrauchsgeräte mit hoher Anschlussleistung (Waschmaschine, Geschirrspüler) versorgen.

Darum steht die DIN VDE 0100-420 in der Diskussion

Sich gegen einen technisch möglichen präventiven Brandschutz zu stellen, ist gewagt. Doch Kritik an den Vorgaben kommt von der Baubranche. Insbesondere Holzbau Deutschland (der Bund Deutscher Zimmermeister im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V.) erkennt die DIN VDE 0100-420 nicht als anerkannte Regel der Technik an. Die Kritik entzündet sich an der Forderung, Räume mit überwiegend brennbaren Baustoffen wie etwa Dachstühle, grundsätzlich mit Brandschutzschaltern zu versehen. Eine solche Forderung sollte laut Holzbau Deutschland baustoffneutral formuliert werden. Denn es fehle der Nachweis, dass Fehlerlichtbögen in Kombination mit brennbaren Baustoffen ein erhöhtes Brandrisiko darstellen.

Die Elektrobranche hält dagegen. Beim ZVEH (Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke) sieht man Brandschutzschalter als sinnvolle Innovation, die mit relativ geringem Aufwand eine Sicherheitslücke schließt. In einer (Ergänzung der Redaktion vom 2017-11-17: nicht mehr online zur Verfügung stehenden) aktuellen Stellungnahme weist der ZVEH darauf hin, dass AFDDs z.B. den verheerenden Brand in der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar verhindert hätten und wichtige Kulturgüter nicht unwiederbringlich zerstört worden wären. Auch die Hersteller von AFDD informieren, wie man die Risiken durch Fehlerlichtbögen durch Brandschutzschalter in den Griff bekommt und betonen dabei eine Pflicht zum Einbau.

Erhöhter Brandschutz, aber keine Rechtsverbindlichkeit

Hinter den unterschiedlichen Standpunkten dürften wirtschaftliche Interessen nicht zu leugnen sein. Wenn eine Norm speziell im Zusammenhang mit dem Baustoff Holz eine spezielle Brandschutzmaßnahme fordert, bedeutet das nicht nur höhere Baukosten gegenüber alternativen Baustoffen. Es suggeriert auch, dass für Holz eine besonders hohe Gefahr bestehe. Zudem verweist der Holzbau-Verband zu Recht darauf, dass die neuen Forderungen nach AFDDs „nur“ als Norm, also privatrechtlich, festgeschrieben seien und ihre Anwendung damit freiwillig bleibt. Eine Aufnahme in das Bauordnungsrecht und damit eine Rechtsverbindlichkeit sei nicht in Sicht. Der ZVEH, dessen Mitgliedsunternehmen die AFDDs einbauen, verweist dagegen ebenso zu Recht auf die Vermutungswirkung der Norm. Wer sich an die DIN VDE 0100-420 hält, arbeite nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Man rechnet in der Elektrobranche daher damit, dass die Brandschutzschalter schnell eine hohe Akzeptanz im Markt erreichen werden.

Fazit

Sicherheit kostet Geld und ist ein riesiger Markt. Das gilt nicht nur hinsichtlich Brandschutz, auch das Geschäft mit Security-Lösungen für Immobilien, Veranstaltungen und Daten boomt. Von höheren Sicherheitsanforderungen an Technik, Infrastruktur, Gebäude und IT profitieren derzeit viele Branchen, mal mehr die eine, mal mehr die andere. Es wird spannend, zu sehen, wie und wo sich die neuen Brandschutzschalter in den kommenden Jahren durchsetzen werden. Spätestens wenn das nächste Mal ein Gebäude mit vielen Holzbauteilen spektakulär in Flammen steht, dürfte auch die Diskussion um die DIN VDE 0100-420 erneut aufflammen.

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  • Autor:

    Dr. Friedhelm Kring

    freier Lektor und Redakteur

    Kring, Friedhelm

    Dr. Friedhelm Kring ist freier Lektor, Redakteur und Fachjournalist mit den Schwerpunkten Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz.

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Kommentare

Kommentar von elektroservice |

Ein amerikanisches Geschäftsmodell in Deutschland sollte immer auf Sinnhaftigkeit überprüft werden. Mir ist ein Fall bekannt, wo der Brandschutzschalter selbst begonnen hat zu schmoren und Gott sei Dank nichts passiert ist. Den Herstellern sollte Zeit gegeben werden, Schalter für Europäische Verhältnisse mit Prüfmöglichkeit zu entwickeln. Auch ist die Störanfälligkeit sehr hoch.

Kommentar von Dieter Geier |

Mal weitere Gedanken zu dem Thema. Auch ich beschäftige mich mit dem Brandschutzschalter und versuche gerade herauszubekommen wie ein Brandschutzschalter geprüft werden kann. Meine bisherigen Erkenntnisse finde ich eher ernüchternd. Zum Thema Prüfung, die ich als wichtig erachte um die Funktionssicherheit eindeutig festzustellen, vor allem beim Thema alternde Bauteile, gibt es von mindestens einem Hersteller bisher nur die Aussage: Bisher gar nicht, er prüft im Selbsttest selbständig die Elektronik. Ansonsten müssen wir wohl den Herstellern vertrauen, dass die Geräte funktionieren. Auf jeden Fall werden die Verteilungen deutlich größer und aufwendiger. Vor allem gibt es noch nicht für alle wichtigen Anwendungen passende Brandschutzschalterkombinationen. Das bedeutet für mich, dass sicher in der nächsten Zeit weiterer Nachrüstungsbedarf mindestens für den 400 V Bereich besteht. Z.B.: Motore, Heizsysteme, Spül- und Waschmaschinen, usw. Und auch für "höhere Leistungen als 16A" vor allem in selten genutzten Bereichen wie Technikräumen die in der Regel auch nicht regelmäßig begangen werden, außer zu kurzen Prüfgängen. Aus diesen Gründen sehe ich diese "neue Errungenschaft" sehr skeptisch, vor allem, muss auch besonders beim Prüfen der anderen Komponenten, FI, Sicherung, darauf geachtet werden, dass der Brandschutzschalter dadurch nicht zerstört wird. Demnach müsste der Brandschutzschalter nach einer aktiven Prüfung der anderen Komponenten ja auch geprüft werden. Er könnte ja durch die Prüfung defekt sein, wenn scharf geprüft wird. Ich hoffe, das es zumindest dazu konkrete Prüfhinweise gibt. Also halten wir es so wie in der Kirche, wir glauben einfach, in diesem Fall den Herstellern. Mein Beitrag ist zwar etwas provokant, aber ich habe Probleme mit Sicherheitseinrichtungen die ich nicht prüfen kann. Mit dem Glauben habe ich es da nicht so.

Kommentar von Genschel |

Hallo,
ich habe ein Haus 24 Wohneinheiten Baujahr 38 geerbt, die Elektroinstallationen müssten komplett erneuert werden, doch ist es jetzt finanziell eher ein Problem .
Helfen da Brandschutzschalter als Übergangslösung, um Brände zu vermeiden?
Vielen Dank

Kommentar von Uwe Kurfiß |

Mein Sohn baut ein 3-FWH indem im EG und DG Holzständerbauweise besteht, im UG ( leichte Hanglage)Thermosteine verwendet werden. Mein Fertighausanbieter verlangt f. d. Lichtbogenschutzeinrichtung 8.390,-€! Ist das gerechtfertigt. Wer hilft mir? Am 4.03. muß ich den Vertrag unterschreiben.

Kommentar von Dipl.-Ing. Rainer Bastian |

Die Norm soll für einpolige Endstromkreise bis 16A. gelten. Für Stromkreise > 16A oder für dreipolige Stromkreise besteht also keine Brandgefährdung? Ist diese Norm richtig durchdacht?

Kommentar von Brodmerkel |

Sehr geehrte(r) S. Alescha,
Ihr Bauunternehmer kann die 3600€ schon fordern, ich würde Sie jedoch nicht bezahlen. Ich würde ihn darauf aufmerksam machen, das es die Die Norm schön länger gibt (zwar mit übergangsfrist usw.) aber dadurch hätte er sehen müssen das Sie zum Zeitpunkt der Montage ist Hause Pflicht ist und daher müssten Sie im Preis inbegriffen sein.
Mfg Brodmerkel

Kommentar von Andreas Holfeld |

die VDE 0100-420 steht bis 22.02.2018 zur Diskussion im Entwurfsportal hinsichtlich des „muß = sind“ des AFDD .

https://www.entwuerfe.normenbibliothek.de/vde-xaveropp/entwurfsportal/start.xav#__entwurfsportal__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%271100481_section_421.7%27%5D__1516203410458

Bisher gibt es nur den Einspruch des AMEF

https://www.amev-online.de/AMEVInhalt/Planen/Elektrotechnik/EltAnlagen%202015/170623_Elt2015_1_Erg_AFDD_EF.PDF


Wer die Chance nicht nutzt, daß aus dem "sind" in Abschnitt a) genau so wie im Abschnitt b) ein "wird empfohlen" oder „sollte“ wird, darf sich hinterher nicht mehr
beschweren.

https://www.entwuerfe.normenbibliothek. ... 6203410458

a) Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtungen (AFDDs) sind vorzusehen in einphasigen Wechselspannungssystemen mit einem Betriebsstrom nicht größer als 16 A:
– in Schlaf- oder Aufenthaltsräumen von Heimen oder Tageseinrichtungen für Kinder, behinderte oder alte Menschen (z. B. Kindertagesstätten, Senorenheime);

.....

b)
In einphasigen Wechselspannungssystemen mit einem Betriebsstrom nicht größer als 16 A wird der Einsatz von Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtungen (AFDDs) empfohlen für:

– Räume mit Schlafgelegenheiten;
– Räume oder Orte mit Feuer verbreitenden Strukturen nach 422.5. ….

ANMERKUNG Auch für Endstromkreise, die über Steckdosen Verbrauchsgeräte mit hoher Anschlussleistung (z. B. Waschmaschine, Trockner, Geschirrspüler) versorgen, ist eine Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtung (AFDD) aus Brandschutzgründen zu empfehlen.

Einsprüche bis 22.02.2018 im Normenentwurfsportal der DKE / VDE

Kommentar von Matthias Schreiber |

Auch mir ist bis heute kein Beispiel bekannt, wo ein AFDD einen Gebäudebrand verhindert hätte. Belastbare Nachweise liegen hierzu weder bei den Herstellern, den Verbänden noch der DKE vor.
Zudem ist jedes Gebäude gesondert zu betrachten. Kein Gebäude gleicht dem anderen. Insofern sind auch Brandrisiko und Sicherheitsbedarf "gebäude- und nutzungsindividuell".
Für öffentliche Gebäude empfiehlt daher der AMEV: Für Räume und Orte gemäß DIN VDE 0100-420:2016-02, Abschnitt 421.7, Aufzählungspunkt a) sollte bei der Planung einer elektrischen Anlage grundsätzlich einzelfallbezogen entschieden werden, ob AFDDs vorzusehen sind. Auf der Grundlage eines auf das Gebäude und die Nutzung bezogenen Schutzkonzeptes ist zu prüfen, ob ein erhöhtes Brandrisiko durch elektrische Leitungen, Anlagen und Geräte besteht. Dazu ist eine Risiko-/Sicherheitsbewertung durchzuführen. Das Prüfergebnis ist zu dokumentieren. (weitere Hinweise: s. Veröffentlichung des AMEV unter http://www.amev-online.de/AMEVInhalt/Planen/Elektrotechnik/EltAnlagen%202015/).

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