Niederspannungsrichtlinie – das müssen Sie wissen

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Niederspannungsrichtlinie – das müssen Sie wissen
Die Niederspannungsrichtlinie regelt die CE-Kennzeichnung von elektrischen Produkten (Bildquelle: Epitavi/iSTock/Getty Images)

Die Niederspannungsrichtlinie besagt, dass elektrische Geräte nur dann in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn von ihnen – vorausgesetzt sie wurden ordnungsgemäß installiert und regelmäßig gewartet – keinerlei Gefährdungen für Nutzer oder andere Produkte ausgehen. Im April 2016 hat die derzeit gültige Fassung 2014/35/EU die Vorgängerrichtlinie 2006/95/EG abgelöst. Was steht in der Niederspannungsrichtlinie und an welche Vorgaben müssen sich Wirtschaftsakteure halten?

Was ist der Anwendungsbereich der Niederspannungsrichtlinie?

Die Niederspannungsrichtlinie (2014/35/EU) gilt für alle elektrischen Betriebsmittel mit einer Spannung zwischen 50 V und 1000 V Wechselstrom und zwischen 75 V und 1500 V Gleichstrom. Sie ist neben der EMV-Richtlinie die wichtigste Rechtsvorgabe für die Sicherheit elektrisch betriebener Geräte in Europa. Elektrische Betriebsmittel, die auf dem europäischen Markt in Verkehr gebracht werden – sei es von einem in der Union niedergelassenen Hersteller oder aber aus einem Drittland eingeführt – müssen den Vorgaben der Niederspannungsrichtlinie entsprechen.

Was sind die Ziele der Niederspannungsrichtlinie?

Laut Artikel 1 der Niederspannungsrichtlinie ist ihr Zweck, dass

  • „auf dem Markt befindliche elektrische Betriebsmittel den Anforderungen entsprechen, die ein hohes Schutzniveau in Bezug auf die Gesundheit und Sicherheit von Menschen und Haus- und Nutztieren sowie (…) Güter gewährleisten“ und
  • „gleichzeitig das Funktionieren des Binnenmarkts garantieren.“

Im Anhang I werden die wichtigsten Schutzziele erläutert. Hier wird unterschieden zwischen Gefahren, die von einem elektrischen Betriebsmittel ausgehen können und Gefahren, die durch äußere Einwirkungen auf das Betriebsmittel entstehen können. Die Schutzziele wären dann z. B. :

  • Schutz vor direktem und indirektem Berühren
  • Schutz vor hohen Temperaturen, Lichtbögen und Strahlung
  • Schutz vor nicht elektrischen Gefährdungen
  • Angemessene Isolierung
  • Schutz vor mechanischen Beanspruchungen
  • Schutz vor nicht mechanischen Einwirkungen
  • Schutz vor Überlast

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Wen betrifft die Niederspannungsrichtlinie?

Die Niederspannungsrichtlinie richtet sich an alle „Wirtschaftsakteure“, d.h. nicht nur an den Hersteller, sondern auch an Bevollmächtigte, Einführer und Händler. Die Wirtschaftsakteure werden in Artikel 2 Begriffsbestimmungen definiert.

Hersteller:

Der Hersteller stellt sicher, dass das Betriebsmittel nach den Sicherheitszielen der Niederspannungsrichtlinie entworfen und hergestellt wurde. Er führt die Konformitätsbewertung durch und erstellt die technischen Unterlagen. (Artikel 6 Pflichten der Hersteller)

Bevollmächtigter:

Der Bevollmächtigte kann schriftlich vom Hersteller benannt werden. Er hält die technischen Unterlagen für die Marktüberwachung für mindestens 10 Jahre nach Inverkehrbringen des Produkts bereit und händigt diese bei Bedarf den Behörden aus.  (Artikel 7 Bevollmächtigte)

Einführer:

Einführer müssen gewährleisten, dass nur sichere Betriebsmittel in Verkehr gebracht werden. Diese Betriebsmittel müssen ein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen haben, ein CE-Kennzeichen besitzen und die entsprechende Dokumentation. (Artikel 8 Pflichten der Einführer)

Händler:

Händler dürfen ausschließlich elektrische Betriebsmittel auf dem Markt bereitstellen, die mit der CE-Kennzeichnung versehen und denen die erforderlichen Unterlagen beigefügt sind. Diese müssen in einer Sprache verfasst sein, die von den Verbrauchern leicht verstanden werden kann. (Artikel 9 Pflichten der Händler)

Eindeutige Produktkennzeichnung gefordert

In der Niederspannungsrichtlinie (2014/35/EU) wird die Kennzeichnung von Produkten eindeutig geregelt. Durch Produktnamen und bei entsprechenden Stückzahlen Produkt- oder Chargennummer sind die Spielchen „diese Version ist ein Sonderfall...“ nicht mehr möglich. Damit ist auch immer ein Verantwortlicher zu erkennen – das ist eben dann der in der EU niedergelassene Geschäftsführer oder der in der Konformitätserklärung genannte Mitarbeiter.

Die Konformitätserklärung muss aber, wie bisher auch, nicht an den Kunden überreicht werden, sondern nur an Behörden auf deren Verlangen.

Pflichten des Herstellers

Der Hersteller muss laut Niederspannungsrichtlinie sicherstellen, dass das elektrische Betriebsmittel, das er in Verkehr bringen will, den Sicherheitszielen nach Artikel 3 und Anhang I entspricht. Dazu muss der Hersteller eindeutig identifizierbar sein:

„Die Hersteller geben ihren Namen, ihren eingetragenen Handelsnamen oder ihre eingetragene Handelsmarke und die Postanschrift, unter der sie erreicht werden können, auf dem elektrischen Betriebsmittel selbst oder, wenn dies nicht möglich ist, auf der Verpackung oder in den dem elektrischen Betriebsmittel beigefügten Unterlagen an. Die Anschrift bezieht sich auf eine zentrale Anlaufstelle, bei der der Hersteller erreicht werden kann.“ (Artikel 6, Pflichten der Hersteller, Abschn. 6)

Des Weiteren muss das hergestellte Betriebsmittel eindeutig identifizierbar sein, indem es mit einer Seriennummer gekennzeichnet wird:

„Die Hersteller gewährleisten, dass die von ihnen in Verkehr gebrachten elektrischen Betriebsmittel eine Typen-, Chargen- oder Seriennummer oder ein anderes Kennzeichen zu ihrer Identifikation tragen, oder, falls dies aufgrund der Größe oder Art des jeweiligen elektrischen Betriebsmittels nicht möglich ist, dass die erforderlichen Informationen auf der Verpackung oder in den dem elektrischen Betriebsmittel beigefügten Unterlagen angegeben werden.“ (Artikel 6, Pflichten der Hersteller, Abschn. 5)

Außerdem muss der Hersteller dem Produkt eine Betriebsanleitung und allgemein verständliche Sicherheitsinformationen beifügen:

„Die Hersteller gewährleisten, dass dem elektrischen Betriebsmittel eine Betriebsanleitung und Sicherheitsinformationen beigefügt sind, die in einer vom betreffenden Mitgliedstaat festgelegten Sprache, die von den Verbrauchern und sonstigen Endnutzern leicht verstanden werden kann, verfasst sind. Diese Betriebsanleitung und Sicherheitsinformationen sowie alle Kennzeichnungen müssen klar, verständlich und deutlich sein.“ (Artikel 6, Pflichten der Hersteller, Abschn. 7)

GS-Zeichen und andere Prüfzeichen

Dazu noch ein Nachsatz, denn nicht alle unserer Leser sind Hersteller, viele importieren Ware aus dem Ausland. Diese Händler glauben gerne, sie würden nur handelsrechtlich, aber nicht im Sinne dieses Produktrechts irgendwie verantwortlich sein – nein, die Niederspannungsrichtlinie beschreibt ausrücklich die Pflichten der Händler. Beachten Sie unbedingt, dass Sie als Händler bei Prüfzeichen wie GS eigentlich verpflichtet sind, diese auf den Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Das bedeutet nicht, Sie sollen neue technische Prüfungen durchführen, aber eine gesunde Überlegung, ob ein Prüfzeichen mit oder ohne Nachweis (z.B. Zeichengenehmigungsausweis, Laufzeit beachten) möglich sein kann, ist sehr sinnvoll. Alleine schon ein falsches CE-Kennzeichen (langer E-Strich oder falsche Abstände) sollte Sie aufmerksam machen. Es gibt auch Verzeichnisse von gefälschten Prüfzertifikaten der großen Organisationen!

GS-Zeichen sollten geprüft werden
GS-Zeichen sollten geprüft werden

Normen zur Niederspannungsrichtlinie

Allen Praktikern, die mit der Niederspannungsrichtlinie zu tun haben, ist die Bedeutung von Normen klar. Ohne passende Norm keine CE-Kennzeichnung nach der Niederspannungsrichtlinie. Für die wenigen Sonderfälle, in denen keine passende Norm vorliegt, haben sich in der Praxis bereits Lösungen herausgebildet – aber diese Produkte sind auch nur ganz selten ein Problem. Das Problem sind die billigen Massengüter, die „schlank“ importiert werden, also ohne größere Untersuchungen.

Häufig werden mangelhafte Produkte wie Spielwaren importiert.
Häufig werden mangelhafte Produkte wie Spielwaren importiert. (Bildquelle: colematt/iStock/Getty Images)

Für die Niederspannungsrichtlinie und die Umsetzung der Sicherheitsziele sind vor allem die EN-Normen relevant. Diese werden vom Europäischen Kommitee für elektrotechnische Normung (CENELEC) bzw. der Internationalen Elektrotechnischen Kommission (IEC) herausgegeben. Die harmonisierten Normen, die bei der Konformitätsbewertung Anwendung finden, sind im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

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Dokumentation und Risikoanalyse

Damit kommen wir schnell zum Thema Dokumentation, welche seit Jahren von der Niederspannungsrichtlinie und der RoHS-Richtlinie so gefordert wird. Zur Konformitätsbewertung und Erstellen der Dokumentation heißt es in der Niederspannungsrichtlinie:

„(1) Die Hersteller stellen sicher, dass ihre elektrischen Betriebsmittel, die sie in Verkehr bringen, im Einklang mit den Sicherheitszielen nach Artikel 3 und Anhang I entworfen und hergestellt wurden.
(2) Die Hersteller erstellen die technischen Unterlagen nach Anhang III und führen das Konformitätsbewertungsverfahren nach Anhang III durch oder lassen es durchführen.
Wurde mit dem Konformitätsbewertungsverfahren nach Unterabsatz 1 nachgewiesen, dass ein elektrisches Betriebsmittel den Sicherheitszielen nach Artikel 3 und Anhang I entspricht, stellen die Hersteller eine EU-Konformitätserklärung aus und bringen die CE-Kennzeichnung an.“ (Artikel 6, Pflichten der Hersteller)

Der Hersteller muss also die Konformitätsbewertung durchführen und die Konformitätserklärung erstellen. Erst dann kann das CE-Kennzeichen am Produkt angebracht werden. Des Weiteren heißt es:

„Die Hersteller bewahren die in Anhang III genannten technischen Unterlagen und die EU-Konformitätserklärung zehn Jahre ab dem Inverkehrbringen des elektrischen Betriebsmittels auf.“ (Artikel 6, Pflichten der Hersteller, Abschn. 3)

„Anhand dieser Unterlagen muss es möglich sein, die Übereinstimmung eines elektrischen Betriebsmittels mit den betreffenden Anforderungen zu bewerten; sie müssen eine geeignete Risikoanalyse und -bewertung enthalten.“ (Anhang III 2. Technische Unterlagen)

So wie hier setzen viele EU-Richtlinien mit einer Pflicht zur Durchführung einer Risikoanalyse beim Hersteller an. In vielen Fällen ist diese bereits in den Normen enthalten!

In den technischen Unterlagen sind die anwendbaren Anforderungen aufzuführen und der Entwurf, die Herstellung und der Betrieb des elektrischen Betriebsmittels zu erfassen, soweit sie für die Bewertung von Belang sind.

Inhalte der Dokumentation

Die technischen Unterlagen enthalten gegebenenfalls zumindest folgende Elemente:

  • eine allgemeine Beschreibung des elektrischen Betriebsmittels
  • Entwürfe, Fertigungszeichnungen und -pläne von Bauteilen, Baugruppen, Schaltkreisen usw.
  • die Beschreibungen und Erläuterungen, die zum Verständnis der genannten Zeichnungen und Pläne sowie der Funktionsweise des elektrischen Betriebsmittels erforderlich sind
  • eine Aufstellung, welche harmonisierten Normen... vollständig oder in Teilen angewandt worden sind.

Damit ist sehr allgemein beschrieben worden, wie man die Risikobeurteilung auf der Basis der entsprechenden Normen aufbauen kann.

Was gilt für Eigenbauten und Eigenbedarf?

Sehr viele Firmen erstellen komplette Geräte in eigener Verantwortung und/oder verändern zugekaufte Geräte. Dazu gibt es einen Hinweis in der Richtlinie, eben die Ausnahme im Anhang II, der für kunden- und anwendungsspezifisch angefertigte Erprobungsmodule, die von Fachleuten ausschließlich in Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen für ebensolche Zwecke verwendet werden, gilt. Diese Formulierung besagt eigentlich schon alles!
Wenn ein Entwickler selbst an einem Gerät herumbastelt, wird er immer alleine verantwortlich sein – das Gerät benötigt so lange keine CE-Kennzeichnung. Wird dieses Gerät aber einem Kollegen zur Verfügung gestellt, muss es sicher sein (CE) oder klar ein Gerät sein, welches entsprechend dem obigem Bereich eingesetzt wird. Die Gefahren sind dem Anwender bekannt.

Beitrag aus dem Jahr 2014, geprüft und aktualisiert 2023

  • Autor:

    Dipl.-Ing. Jo Horstkotte

    Inhaber des Ingenieurbüros Horstkotte

    Jo Horstkotte

    Jo Horstkotte, Dipl.-Ing. der Elektrotechnik und Sachverständiger für Maschinensicherheit/Produktsicherheit, ist Inhaber des Ingenieurbüros Horstkotte in Baden-Baden und arbeitet seit 1994 als selbstständiger Berater im Bereich der CE-Kennzeichnung.

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Kommentare

Kommentar von Lutz Herrmann |

sehr interessant, habe ich so nicht gewust

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