GEIG: Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz
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Seit kurzem ist das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (kurz: GEIG) in Kraft. Es bringt erhebliche Anforderungen an Bauherren und Eigentümer von Gebäuden mit eingeschlossenen oder angrenzenden Stellplätzen mit sich. Bei Neubauvorhaben und größeren Renovierungen müssen künftig die Vorgaben des GEIG beachtet werden. Dies schlägt bis auf die Planung der elektrischen Anlagen durch. Der nachfolgende Beitrag erläutert den Inhalt des neuen Gesetzes und gibt wichtige Tipps für Bauherren und Planer.
Auswirkung des GEIG auf die Planung von elektrischen Anlagen bei Neubau und Renovierung von Gebäuden
Die offizielle Bezeichnung des Gesetzes lautet: „Gesetz zum Aufbau einer gebäudeintegrierten Lade- und Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität“. Aktuell gibt es noch keine Rechtsprechung oder Kommentierung. Leider gibt auch die Gesetzesbegründung in der Bundestagsdrucksache 19/18962 nicht viel dazu her.
Das GEIG ist im März 2021 in Kraft getreten und setzt die EU-Gebäuderichtlinie 2018/844 im Wortlaut in deutsches Recht um.
Das neue GEIG: Inhalt und Aussage
Was sagt das neue Gesetz nun eigentlich aus? Schauen wir uns zunächst den Tatbestand an. Hier unterscheidet der Gesetzgeber einerseits zwischen Wohngebäuden und Nichtwohngebäuden, andererseits zwischen Neubauten und größeren Renovierungen:
- Wohngebäude sind Gebäude, die überwiegend dem Wohnen dienen.
- Größere Renovierungen sind solche, bei denen mehr als 25 Prozent der Oberfläche einer Renovierung unterzogen werden.
- Zusätzlich gibt es noch eine erhebliche Auflage für Nichtwohngebäude mit mehr als 20 Stellplätzen.
Für die Einhaltung der Anforderungen aus diesem Gesetz ist der Eigentümer des jeweiligen Gebäudes verantwortlich. In der Bauphase wird der Eigentümer zum Bauherren oder wird durch einen solchen vertreten.
Wohngebäude mit mehr als 5 Fahrzeugstellplätzen
Werden künftig Wohngebäude mit mehr als fünf Fahrzeugstellplätzen im oder am Gebäude errichtet, so muss jeder Stellplatz mit Leitungsinfrastruktur für Elektromobilität ausgerüstet werden.
Nichtwohngebäude mit mehr als 6 Stellplätzen
Bei Nichtwohngebäuden mit mehr als sechs Stellplätzen muss jeder dritte davon mit Leitungsinfrastruktur ausgestattet und zusätzlich ein Ladepunkt errichtet werden.
Größere Renovierungen von Wohngebäuden mit mehr als 10 Stellplätzen
Bei größeren Renovierungen, die den Parkplatz umfassen, von bestehenden Wohngebäuden mit mehr als zehn Stellplätzen muss jeder Stellplatz mit der Leitungsinfrastruktur ausgerüstet werden.
Nichtwohngebäude mit mehr als 10 Stellplätzen
Bei Nichtwohngebäuden mit mehr als zehn Stellplätzen muss jeder fünfte mit Leitungsinfrastruktur ausgestattet werden und zusätzlich ein Ladepunkt errichtet werden.
Nichtwohngebäude mit mehr als 20 Stellplätzen
Unabhängig von Neubauten oder Renovierungen muss bei Nichtwohngebäuden mit mehr als zwanzig Stellplätzen ab dem 1. Januar 2025 ein Ladepunkt errichtet werden.
Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz fokussiert Leitungsinfrastruktur
Abgesehen von den Fällen, in denen tatsächlich Ladepunkte zu errichten wären, fokussiert das Gesetz die Leitungsinfrastruktur. Dazu findet sich eine genauere Aussage in § 2 Nr. 10 GEIG: Im Begriff der Leitungsinfrastruktur fasst das Gesetz die Gesamtheit aller Leitungsführungen zur Aufnahme von elektro- und datentechnischen Leitungen zusammen. Also sind damit noch nicht die Leitungen selbst gemeint, sondern die Schaffung der Leitungswege (Leerrohre, Kabelbahnen, vorbereitete Durchführungen usw.).
Jedoch denkt der elektrotechnische Planer natürlich einen Schritt weiter und erkennt, dass diese Wege irgendwann einmal mit Infrastruktur gefüllt werden müssen bzw. sollen. Für die Planung der Leitungswege muss zumindest im Groben schon bekannt sein oder eingeschätzt werden können,
- welche Leitungen mit welchem Querschnitt hier einmal eingezogen werden sollen und
- wie viele Leitungen gemeinsam geführt werden können und dürfen (Stichwort: Kabelhäufung).
Praktische Auswirkungen
Zunächst geht es im Gesetz überwiegend nur um die Leitungsinfrastruktur, die während des Baus für spätere Ladepunkte für Elektromobilität bereitgestellt werden muss.
Ladepunkte selbst sind nur bei Nichtwohngebäuden zu errichten und hierbei
- jeweils nur einer pro Gebäude mit mehr als sechs (Neubau),
- zehn (Renovierung) oder
- zwanzig (immer ab 1. Januar 2025) Stellplätzen.
Daran orientiert sich auch der in der Gesetzesbegründung geschätzte Erfüllungsaufwand.
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Fokus des GEIG nicht ausreichend
Es wird nicht klar, ob sich der Gesetzgeber mit den tatsächlichen Bereitstellungskosten und vor allem den technischen Voraussetzungen beschäftigt hat. Eigentlich müsste man die Bauherren und Eigentümer an die örtlichen Bundestagsabgeordneten der aktuellen Regierungskoalition verweisen. So steht aber zu befürchten, dass an diesem Gesetz eine elektrotechnischer Fachmann weder in Brüssel (Straßburg) noch in Berlin wesentlich mitgewirkt hat. Hier wären nämlich Leitungsquerschnitte und die Dimensionierung des Hausanschlusses von Bedeutung gewesen.
Die Leitungsinfrastruktur lässt sich nur dann wirklich sinnvoll planen, wenn die Ladestation bekannt ist.
Hier sind 11- bzw. 22-kW-Stationen üblich. Neben dem übrigen Verbrauch des Wohn- bzw. Nichtwohngebäudes kommen dann also noch die zu erwartenden Ladestationen hinzu, für die man bei Wohngebäuden sicherlich auch einen Gleichzeitigkeitsfaktor von 1 anzunehmen haben wird, da das Laden der E-Fahrzeuge überwiegend in der Nacht stattfindet. Auch bei Nichtwohngebäuden wird bei zunehmender E-Mobilität die ständige Belegung der Ladepunkte einzuplanen sein.
Entscheidung des Bauherrn erforderlich
Letztlich wird der Planer die Ausstattung mit dem Bauherrn abstimmen müssen. Hinsichtlich des Leitungsquerschnitts ist entweder auf Minimalbelastung 11 kW oder Maximalbelastung 22 kW pro Ladepunkt abzustellen. Für den Hausanschluss muss man aber unter Beachtung des Gleichzeitigkeitsfaktors davon ausgehen, dass künftig jeder Stellplatz irgendwann einmal mit einem Ladepunkt ausgestattet sein wird.
Praxistipp für den Bauherren
Es bleibt dann die Entscheidung des Bauherren, ob er den Hausanschluss für die Minimal- oder die Maximalbelastung auslegen möchte. Angesichts der zu prognostizierenden erheblichen Aufwände, die für eine Höherstufung des Hausanschlusses fällig werden, sollte auf die jeweilige Maximalbelastung ausgelegt werden.
So spart man sich später eine eventuelle Nachrüstung eines Transformators sowie die Ertüchtigung der Einspeisung, wenn der Energiebedarf plötzlich nur noch mit Hochspannung (früher Mittelspannung) gedeckt werden kann. Ergeben die Berechnungen des aufgrund der Ausstattung zu erwartenden Verbrauchs die Notwendigkeit einer Mittelspannungseinspeisung, dann ist der dafür notwendige Trafo deutlich leichter in der Bauphase unterzubringen als später nachzurüsten.
Für den Bauherrn wird es künftig ein Vermarktungsmerkmal sein, mit welchen Leistungen in seinem Gebäude E-Fahrzeuge geladen werden können. Daher ist die von ihm zu treffende Entscheidung nach entsprechender technischer Beratung eine eher kaufmännisch-wirtschaftliche. Man wird für die Planung davon auszugehen haben, dass jeder Stellplatz einen Ladepunkt bekommen kann und künftig auch bekommen wird.
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Praxistipps für den Planer
Der Fachplaner kann diese Entscheidung nicht treffen, weil zu viele Variable unklar sind. Er kann die Minimal- und die Maximalvariante planen und dem Bauherrn mit allen Vor- und Nachteilen vorstellen. Trifft der Bauherr die Auswahl, muss der Fachplaner bzw. der Elektroinstallateur sie umsetzen. Über diese Auswahl sollte ein gewährleistungsfestes Protokoll angefertigt werden, in welchem die Varianten mit ihren Vor- und Nachteilen sowie Kosten dargestellt sind und in dem die Entscheidung des Bauherrn eindeutig festgehalten wird.
Erst danach sowie nach Abschluss der Arbeiten kann die in § 13 GEIG geforderte Unternehmererklärung gegenüber dem Bauherrn abgegeben werden. Diese Entscheidung sollte dem Bauherrn bzw. Eigentümer schon allein deshalb überlassen werden, weil er der Adressat des Gesetzes ist („hat zu sorgen, dass …“) und ihn auch die Bußgeldfolgen des § 15 GEIG treffen.
Achtung Elektrofachkräfte!
Der Elektrofachbetrieb und sein Planer wird den Bauherrn bzw. Eigentümer künftig über die Anforderungen des GEIG und auch über dessen Konsequenzen für die elektrische Anlage entsprechend kompetent beraten müssen, will er sich nicht später Gewährleistungsforderungen ausgesetzt sehen, die darauf fußen, dass Teile der Anlage unbrauchbar sind, weil sie unterdimensioniert oder mit Blick auf die künftige Nutzung fehlerhaft projektiert wurden.
In Extremfällen kann es sogar dazu kommen, dass sich die Mängel nicht beheben lassen, weil von vornherein die Einspeisung am Hausanschluss zu gering kalkuliert wurde und eine kurzfristige Kapazitätserweiterung am Verteilungsnetzbetreiber scheitert.
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