Nicht elektrotechnische Arbeiten im Bereich elektrischer Anlagen
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Bau- und Montagearbeiten, Erdarbeiten, Säubern (Raumreinigung), Anstrich- und Korrosionsschutzarbeiten sind nicht elektrotechnische Arbeiten im Bereich elektrischer Anlagen. Diese werden in der Regel von elektrotechnischen Laien ausgeführt. Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um den Arbeitsschutz und die Sicherheit der Beschäftigten zu gewährleisten?
Was sind nicht elektrotechnische Arbeiten?
Zu den nicht elektrotechnischen Arbeiten zählen z.B.
- Hoch- und Tiefbauarbeiten,
- Gerüstbau,
- Montagearbeiten,
- Transportarbeiten,
- Anstrich- und Ausbesserungsarbeiten sowie
- Arbeiten mit Hebezeugen und anderen Geräten
in der Nähe elektrischer Anlagen, ohne dass diese Arbeiten im Zusammenhang mit der elektrischen Anlage stehen. Diese Arbeiten werden meist von elektrotechnischen Laien ausgeführt.
Warum können bei diesen Arbeiten elektrische Gefährdungen auftreten?
Werden diese Arbeiten im Bereich elektrischer Anlagen verrichtet, besteht die Gefahr, dass Beschäftigte mit Körperteilen oder Arbeitsgerät in die Nähe unter Spannung stehender Anlagenteile geraten. Hier gelten die Grundsätze zum Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile (AiN), die in der DIN VDE 0105-100:2015-10 „Betrieb von elektrischen Anlagen“ Abschnitt 6.4.1 festgelegt sind.
Unterweisung vor Beginn der Arbeiten
Vor Beginn der Arbeiten muss der Arbeitsverantwortliche die für die Arbeiten vorgesehenen Personen ausführlich unterrichten über die
- bei den Arbeiten einzuhaltenden Abstände (Grenzen des Arbeitsbereichs)
- und die für die Arbeiten notwendigen Sicherheitsmaßnahmen.
Dabei ist der Arbeitsbereich genau zu definieren. Bei länger andauernden Arbeiten oder bei Änderungen der Tätigkeit muss die Unterweisung der Beschäftigten wiederholt werden.
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Welche Schutzabstände sind einzuhalten?
Um elektrische Gefährdungen auszuschließen, müssen bei Bauarbeiten und sonstigen nicht elektrotechnischen Arbeiten die Schutzabstände zu unter Spannung stehenden Teilen dringend eingehalten werden. Dabei darf in die Annäherungszone um unter Spannung stehende Anlagenteile nicht eingedrungen werden, es sei denn, dass ein vollständiger Schutz gegen direktes Berühren besteht.
Die Schutzabstände sind in der DIN VDE 0105-100 VDE 0105-100:2015-10 „Betrieb von elektrischen Anlagen“ festgelegt.
Dort heißt es:
„Bei Bauarbeiten und sonstigen nicht elektrotechnischen Arbeiten [...] muss stets ein festgelegter Abstand eingehalten werden, insbesondere beim Ausschwingen von Lasten, Trag- und Lastaufnahmemitteln."
Beim Arbeiten mit Kranen sind außerdem die Bodenbeschaffenheit und die Witterungsbedingungen zu berücksichtigen. Dieser Abstand muss vom nächstgelegenen Leiter oder blanken unter Spannung stehenden Teil gemessen werden.
Bei den Festlegungen der Schutzabstände sind zu berücksichtigen:
- Die Spannungshöhe
- die Art der Arbeit
- die verwendete Ausrüstung
- und die Tatsache, dass die beteiligten Personen keine elektrotechnischen Kenntnisse haben.
Bei Freileitungen sind alle möglichen Bewegungen der Leiterseile in Betracht zu ziehen sowie jede Bewegung oder Verlagerung, jedes Ausschwingen, Wegschnellen oder Herunterfallen von Gegenständen, die bei der Arbeit benutzt werden.
Die DIN VDE 0105-100 enthält Richtwerte für Schutzabstände DL und DV. Dabei richtet man sich in der Praxis bei den hier behandelten nicht elektrotechnischen Arbeiten nach den Schutzabständen in den folgenden Tabellen Tab. 103 und Tab. 102 (DL = Abstand, der die äußere Grenze der Gefahrenzone festlegt, siehe Abbildung 1).
Bei nicht elektrotechnischen Arbeiten muss ein festgelegter Abstand (Annäherungszone Dv) unter Berücksichtigung der ungünstigsten Umstände eingehalten werden.
Nennspannung | Äußere Grenze der Annäherungszone DV |
bis 1.000 V | 1,0 m |
über 1 kV bis 110 kV | 3,0 m |
über 110 kV bis 220 kV | 4,0 m |
über 220 kV bis 380 kV | 5,0 m |
Tab. 103: Äußere Grenze der Annäherungszone DV bei nicht elektrotechnischen Arbeiten, z.B. Bauarbeiten
Bei nicht elektrotechnischen Arbeiten darf die äußere Grenze der Annäherungszone DV nach Tabelle 103 von unter Spannung stehenden elektrischen Anlagen oder Teilen elektrischer Anlagen ohne Schutz gegen direktes Berühren nicht unterschritten werden.
Dies gilt auch beim Ausschwingen von Lasten, Trag- und Lastaufnahmemitteln. Die Maße der Tabelle rechnen vom ausgeschwungenen Leiterseil ab.
Um Zweifel auszuschließen, ist die Höhe der Nennspannung vom Betreiber der elektrischen Anlage zu erfragen. Dies betrifft insbesondere die Errichtung von Baustelleneinrichtungen und Gebäuden. Einzuhaltende Schutzabstände sind mit dem Betreiber abzustimmen.
Bei Arbeiten im Bereich von Freileitungen ist eine Absprache mit dem Leitungsbetreiber in jedem Fall erforderlich. Wie weit die Leiterseile der Freileitung unter besonderen Bedingungen ausschwingen können, kann nur der Betreiber der Freileitung angeben.
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Arbeiten unter Aufsicht einer Elektrofachkraft oder EuP
Falls die genannten Arbeiten unter Beaufsichtigung von Elektrofachkräften oder elektrotechnisch unterwiesenen Personen des Betreibers ausgeführt werden, gelten die kleineren Schutzabstände nach Tabelle 102. Die Einhaltung dieser Abstände nach Tabelle 102 ist ausreichend, weil der genannte Personenkreis entsprechende Kenntnisse über den Anlagenaufbau und Maßnahmen zur Gefahrenabwehr hat.
Nennspannung | Schutzabstand (Abstand in Luft von unter Spannung stehenden Teilen) |
bis 1.000 V | 0,5 m |
über 1 kV bis 30 kV | 1,5 m |
über 30 kV bis 110 kV | 2,0 m |
über 110 kV bis 220 kV | 3,0 m |
über 220 kV bis 380 kV | 4,0 m |
Tab. 102: Schutzabstände bei nicht elektrotechnischen Arbeiten unter Aufsicht einer EFK oder EuP
Bei Anstrich- und Ausbesserungsarbeiten an Masten, Portalen und dergleichen sind von unter Spannung stehenden Teilen der Freileitung mit Nennspannungen über 1 kV die Schutzabstände nach Tabelle 102 einzuhalten (Ausnahmen hiervon sind in DIN VDE 0105-100 geregelt).
Diese Arbeiten müssen jedoch von Elektrofachkräften oder elektrotechnisch unterwiesenen Personen oder unter deren Aufsichtsführung durchgeführt werden.
Absprachen mit dem Anlagenbetreiber erforderlich
Die berufsgenossenschaftliche Vorschrift „Bauarbeiten“ DGUV Vorschrift 38 fordert im § 6 u.a., dass vor Beginn von Bauarbeiten durch den Unternehmer zu ermitteln ist, ob im vorgesehenen Arbeitsbereich elektrische Anlagen, z.B. Kabel, vorhanden sind, durch die Personen gefährdet werden können. Ist dies der Fall, so muss der Unternehmer im Einvernehmen mit dem Eigentümer oder Betreiber der elektrischen Anlage oder Freileitung die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen festlegen und durchführen.
Der Betreiber einer elektrischen Anlage darf also davon ausgehen, dass er von einem Unternehmer angesprochen wird, bevor dieser Bauarbeiten oder sonstige nicht elektrotechnische Arbeiten in der Nähe von elektrischen Anlagen ausführt.
Autoren: Dr.-Ing. Peter Hasse, Dipl.-Ing. Walter Kathrein
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