Unfallbericht: Regeln für das Arbeiten in der Nähe missachtet

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Hier gelten die Regeln für das Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile.
Hier gelten die Regeln für das Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile. (Bildquelle: prill/iStock/Thinkstock)

Während Ihrer Tätigkeit als Elektrofachkraft kann es vorkommen, dass Sie unter Zeitdruck arbeiten müssen. So war es auch im folgenden Beispiel, bei dem zwei Monteure versuchten, sich weitmöglichst auf die einstündige Freischaltung vorzubereiten. Es kam zu einem Stromunfall, während die Monteure einige der Vorarbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile durchführten.

Was ist beim Arbeiten in der Nähe passiert?

Eine unisolierte Freileitung sollte durch eine isolierte Leitung ersetzt werden. Beim Tausch wurde die Isolierung leider so stark beschädigt, dass der Leiter blank lag. Aus Zeitgründen konnte der beschädigte Leitungsteil erst nach einigen Monaten ausgewechselt werden. Hierfür sollte die Freileitung freigeschaltet werden.

Unfall beim Arbeiten in der Nähe

Der beschädigte Abzweig versorgte unter anderem auch eine Gaststätte, weshalb die Leitung nur eine Stunde lang freigeschaltet werden sollte. Die Monteure begannen schon vor der Abschaltung mit den Vorarbeiten. Sie wollten so Zeit sparen, um das beschädigte Leitungsstück später während der Freischaltung möglichst schnell auswechseln zu können.

Um im Voraus schon einen provisorischen Seilanker am Holzmast zu befestigen, stieg einer der Monteure mit Steigeisen auf den Mast. Obwohl ihm bewusst war, dass die Leitung noch nicht freigeschaltet war und sich die Isolationsschäden in der Nähe des Masts befanden, führte er die Aufgaben ohne speziellen Auftrag durch. Er entschied sich bewusst dazu, die Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile durchzuführen. Nachdem er den Seilanker angebracht hatte, wollte er den Mast wieder herabsteigen. Dabei fasste der Monteur unbeabsichtigt an die Freileitung und kam mit der Hand versehentlich an eine blanke Stelle der beschädigten Freileitung.

Es kam zu einer Körperdurchströmung zwischen dem Außenleiter und dem am Anker befestigten Stahlseil. Da es während der Arbeiten regnete, waren die Widerstände im Stromweg noch zusätzlich reduziert. Der Körper des Monteurs verkrampfte durch die Körperdurchströmung, wodurch sich die Steigeisen aushängten und der Monteur am Mast nach unten rutschte. Durch den Aufprall am Boden erlitt er eine Fraktur der Lendenwirbelsäule.

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Regeln für das Arbeiten in der Nähe missachtet

Da die geplante Abschaltzeit sehr kurz war, wollten die beiden Monteure die Arbeitsstelle möglichst gut vorbereiten. Dabei kalkulierten die Monteure die Gefahr einer Körperdurchströmung durch die beschädigte Isolierung allerdings nicht mit ein. Die Regeln für das Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile nach § 7 DGUV Vorschrift 3 wurden nicht eingehalten. Hätten die Monteure die Freileitung zumindest abgedeckt, wenn sie schon nicht bis zur Freischaltung warteten, hätte der Unfall vermutlich verhindert werden können.

So schützen Sie sich bei Arbeiten in der Nähe

Halten Sie sich unbedingt an die Regeln für das Arbeiten in der Nähe aktiver Teile, die in § 7 der DGUV Vorschrift 3 „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“ festgelegt sind. Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile sind nur dann erlaubt, wenn

  • der spannungsfreie Zustand der aktiven Teile hergestellt und während der Arbeiten sichergestellt ist,
  • die unter Spannung stehenden Teile während den Arbeiten durch Abdecken oder Abschranken geschützt werden oder
  • die vorgeschriebenen Schutzabstände eingehalten werden, wenn auf die zuvor genannten Maßnahmen verzichtet wird.

 

  • Autor:

    Dr.-Ing. Jens Jühling

    Leiter der Abteilung Prävention der BG ETEM

    Jens Juehling

    Jens Jühling ist Technischer Sekretär der Internationalen Sektion Elektrizität der IVSS (Internationale Vereinigung für soziale Sicherheit) und seit 2006 Leiter der Abteilung Prävention.

    Seit vielen Jahren arbeitet er im Normungsbereich „Arbeiten unter Spannung“ mit. Derzeit ist er Obmann des Normungskomitees K214 und deutscher Vertreter in der Live Working Association.

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