Was gilt für die Errichtung elektrischer Anlagen auf Karnevalswagen?

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Das Bild zeigt einen Karnelvalswagen auf einem Umzug.
In den meisten Kommunen ist eine Prüfung von Karnevalswagen durch einen Sachverständigen vorgeschrieben. (Bildquelle: cobalt/iStock/GettyImagesPlus)

Frage aus der Praxis

Es geht um das Thema „Errichtung elektrischer Anlagen auf Karnevalswagen“. Mir geht es insbesondere darum, welche Leitungsarten verwendet werden dürfen und wie diese verlegt werden müssen.

Karnevalswagen sind meist mit einem Generator mit 230/400 V ausgestattet. Was muss man generell bei der Errichtung beachten, wenn man berücksichtigt, dass auch Personen befördert werden?

Wie sieht es mit einer Isolationsüberwachung aus? Die meisten handelsüblichen Generatoren sind nicht in der Lage, einen ausreichenden Schutz über den Potenzialausgleich zu liefern, da Erdspieße o.Ä. wegfallen. Auch muss man sich fragen, ob ein Generator in der Lage ist, den nötigen Kurzschlussstrom zu liefern, damit Leitungsschutzschalter rechtzeitig abschalten können.

Tipp der Redaktion

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Antwort des Experten

Unseres Erachtens sind hier neben den allgemeinen Anforderungen der 0100-er-Reihe vor allem die DIN VDE 0100-711:2020-06 „Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 7-711: Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art – Ausstellungen, Shows und Stände“ und die DIN VDE 0100-740:2007-10 „Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 7-740: Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art – Vorübergehend errichtete elektrische Anlagen für Aufbauten, Vergnügungseinrichtungen und Buden auf Kirmesplätzen, Vergnügungsparks und für Zirkusse“ zu beachten. Bezüglich der Stromversorgung müssen Sie darauf achten, dass die Nennversorgungsspannung AC 230/400 V oder DC 500 V nicht überschreitet.

Für die Schutzmaßnahmen/Anforderungen gilt Folgendes:

Zusätzlicher Potenzialausgleich

  • Fremde leitfähige Teile eines Fahrzeugs, Wagens, Caravans, Containers müssen mit dem Schutzleiter der Anlage verbunden werden. Ist die Verbindung nicht dauerhaft sichergestellt, muss die Verbindung an mehr als einer Stelle erfolgen. Der Querschnitt der Leiter für die Verbindung muss ≥ 4 mm2 Cu betragen.
  • Jeder eigenständige, vorübergehend errichtete Aufbau, wie z.B. ein Fahrzeug, ein Stand oder eine Einheit, vorgesehen zur Inanspruchnahme eines speziellen Nutzers, und jeder Verteilungsstromkreis zur Versorgung von Außenanlagen muss mit einer eigenen, schnell erreichbaren und leicht erkennbaren Trenneinrichtung versehen sein. Die Trenneinrichtung muss in Übereinstimmung mit DIN VDE 0100-530 „Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 530: Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel – Schalt- und Steuergeräte“ ausgewählt werden.

Downloadtipps der Redaktion

Unterweisung: VDE 0100-410 „Schutz gegen elektrischen Schlag“

Hier gelangen Sie zum Download.

Checkliste: Sichere Kabel- und Leitungsanlagen

Hier gelangen Sie zum Download.

Arbeitsanweisung: Kabelanlagen

Hier gelangen Sie zum Download.

Nicht angewendet dürfen:

  • Schutzmaßnahmen gegen direktes Berühren durch Hindernisse
  • Schutz durch Anordnung außerhalb des Handbereichs
  • Schutzmaßnahmen bei direktem Berühren durch nicht leitende Räume/Umgebung
  • Schutzmaßnahmen bei indirektem Berühren durch erdfreien örtlichen Potenzialausgleich

Fehlerstrom-Schutzeinrichtung

Alle Steckdosenstromkreise bis 32 A und alle Endstromkreise, außer für Notbeleuchtung, müssen mit einer Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) mit einem Bemessungsdifferenzstrom IΔN ≤ 30 mA geschützt sein.

Elektrische Betriebsmittel

Beleuchtungsgeräte wie Glühlampen, Leuchten, Scheinwerfer, kleine Projektoren und andere elektrische Betriebsmittel oder Apparate mit hoher Oberflächentemperatur müssen angemessen überwacht, montiert und platziert sein. Es muss darauf geachtet werden, dass diese Betriebsmittel ausreichend von brennbarem Material entfernt sind, um eine Berührung auszuschließen.

Zulässige Leitungen und Verlegearten

Kabel und Leitungen sowie Verlegearten müssen anhand der DIN VDE 0100-410:2018-10 „Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 4-41: Schutzmaßnahmen – Schutz gegen elektrischen Schlag“ ermittelt werden.

Zulässige Leitungen:

  • H07RN-F (hochflexibel, ölbeständig, für den Außenbereich geeignet)
  • H07BQ-F (robuster als H07RN-F, besser gegen mechanische Einflüsse geschützt)
  • NYY oder NYM ungeeignet, da für feste Verlegung gedacht und nicht flexibel genug für die Beanspruchung auf einem Karnevalswagen

Das ist bei der Verlegung zu beachten:

  • mechanischer Schutz der Leitungen durch geeignete Verlegewege (z.B. geschützte Kabelkanäle oder Stahlflexrohre)
  • keine Quetschungen oder starke Biegebeanspruchungen
  • keine offenen Verbindungen, idealerweise wasserdichte Abzweigdosen mit IP44 oder höher

Besonderheiten beim Einsatz von Generatoren

Erdung und Potenzialausgleich:
Da ein mobiler Generator oft keine Erdung über einen Erdspieß hat, fehlt der klassische Schutz durch Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs). Alternativ sollte eine Isolationsüberwachung nach DIN VDE 0100-410 „Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 4-41: Schutzmaßnahmen – Schutz gegen elektrischen Schlag“ bzw. DIN EN 61557-8 „Elektrische Sicherheit in Niederspannungsnetzen bis AC 1.000 V und DC 1.500 V – Geräte zum Prüfen, Messen oder Überwachen von Schutzmaßnahmen – Teil 8: Isolationsüberwachungsgeräte für IT-Systeme“ installiert werden, insbesondere wenn ein IT-System (ungeerdetes Netz) genutzt wird. Falls ein TN-S-System aufgebaut wird (was ohne ausreichende Erdung schwierig ist), sollte ein separater Potenzialausgleich mit einer Erdung des Generatorgehäuses erfolgen.

Kurzschlussstrom und Selektivität:

Viele kleinere Generatoren können keinen ausreichenden Kurzschlussstrom liefern, um Standard-Leitungsschutzschalter (B- oder C-Charakteristik) sicher auszulösen. Die Lösung: Einsatz von Sicherungen mit niedrigerer Bemessungsstromstärke oder selektiven Schutzschaltern mit geringerem Auslösestrom. Alternative Schutzmaßnahmen wie ein Isolationsüberwachungsgerät können das Risiko zusätzlich minimieren.

Schutzmaßnahmen für Personen

Fehlerschutz (Schutz gegen indirektes Berühren):

  • idealerweise Einsatz eines Schutztrenntransformators mit nachgeschalteten Schutzmaßnahmen
  • falls RCDs verwendet werden: mit einer Auslösestromstärke von maximal 30 mA für mobile Anwendungen
  • Schutzleiter an allen metallischen Teilen, die berührt werden können

Kabelverbindungen und Steckdosen:

  • Outdoor-Steckverbindungen mit mindestens IP44 (besser IP67)
  • Schutz vor mechanischer Beschädigung durch sichere Führung der Kabel (keine Stolperfallen, keine Quetschgefahr)

ggf. besondere Vorschriften für Veranstaltungsbetrieb beachten

  • DIN VDE 0100-718 und Din VDE 0100-740 geben Vorgaben für temporäre elektrische Anlagen im Veranstaltungsbereich
  • DIN VDE 0100-410 und DIN VDE 0100-530 ebenfalls relevant für Schutzmaßnahmen

Prüfung von Karnevalswagen

Die meisten Kommunen schreiben für die Teilnahme von Karnevalswagen an Karnevalsumzügen eine Sachverständigenprüfung (TÜV, Dekra etc.) vor. Wir haben Ihnen stellvertretend für die meisten Kommunen und zur Orientierung das „Merkblatt über die Ausrüstung und den Betrieb von Fahrzeugen und Fahrzeugkombinationen für den Einsatz bei Brauchtumsveranstaltungen“ des Landkreises Augsburg zum Download unter https://tinyurl.com/49tk64mj bereitgestellt. Sie müssen selbst prüfen, ob die Vorgaben ggf. auch für Ihre Kommune gelten.

Fazit und Empfehlung

  • H07RN-F oder H07BQ-F für flexible Verlegung verwenden
  • mechanischen Schutz der Leitungen sicherstellen
  • Isolationsüberwachung nutzen, wenn kein sicherer Erdanschluss vorhanden ist
  • Prüfung der Schutzmaßnahmen durch Fachkraft vor Inbetriebnahme
  • RCDs mit 30 mA Auslösestrom für zusätzlichen Schutz verwenden
  • spezielle Sicherungs- oder Schutzschaltgeräte wählen, wenn der Generator nicht genug Kurzschlussstrom liefern kann
  • Autor:

    Lic. jur./Wiss. Dok. Ernst Schneider

    Inhaber eines Fachredaktionsbüros

    Ernst Schneider

    Ernst Schneider ist Mitglied in der Sektorgruppe Elektrotechnik (ANP-SGE) und in der Themengruppe Produktkonformität (ANP-TGP) des Ausschusses Normenpraxis im DIN e.V.

    Er veröffentlichte bereits eine Vielzahl von Büchern, Fachzeitschriften und elektronischen Informationsdiensten. Seit 2004 ist er außerdem Unternehmensberater für technologieorientierte Unternehmen.

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